Jurierung von Fotos
Am Anfang meiner Karriere als Naturfotograf habe ich mich an verschiedenen Fotowettbewerben beteiligt, um damit meinen Namen bekannter zu machen. Dies gelang mir auch recht schnell, da ich aus den meisten Wettbewerben erfolgreich hervorging.
In den darauf folgenden Jahren habe ich zahlreiche Bildjurierungen miterlebt und irgendwann, nachdem ich nun selbst viele Erfahrungen gesammelt hatte, wurde ich des Öfteren als Juror eingeladen, um Fotowettbewerbe zu jurieren. In den meisten Fällen sind es zwei bis fünf erfahrene Fotografen, die ihre Einschätzungen bezüglich der Bilder abgeben. Die Meinungen der Juroren können teilweise extrem voneinander abweichen und dieselben Bilder völlig unterschiedlich bewerten.
Da wir Menschen sehr unterschiedliche Lebensläufe, Vorlieben und Hintergrundwissen haben, können nicht alle dasselbe für emotionale Dinge wie Fotos empfinden!
Es ist des Öfteren vorgekommen, dass ein Bild in einem Wettbewerb mit einer Goldmedaille ausgezeichnet wurde und dasselbe Foto in einem anderen Wettbewerb gar keine Achtung bekommen hat.
Nun, wie kann es sein, dass ein Bild so unterschiedlich bewertet werden kann?
Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich berichten, dass zahlreiche Juroren Fotos aus dem Bauch heraus jurieren. Sie mögen zwar erfahrene Fotografen sein und sie liegen sogar in den meisten Fällen mit ihren Einschätzungen richtig oder fast richtig, jedoch kann dies nicht die Grundlage einer fairen Bewertung der Fotos in einem Wettbewerb sein!
Ich habe mir lange überlegt, wie man einer gerechten Jurierung etwas näher kommen kann und habe folgenden Vorschlag für Jury-Mitglieder oder angehende Juroren:
Der Juror muss vermeiden, dass er sich durch seinen persönlichen Geschmack zu sehr beeinflussen lässt.
Die Tierfotografie ist meine Berufung und ich bin damit sehr glücklich. Ich liebe es, mir Tierfotos anzuschauen. Wenn ich jedoch als Wettbewerb-Jury eingeladen werde, darf ich nicht ein mittelmäßiges Tierfoto besser bewerten als eine super kreierte Architekturaufnahme! Von Natur aus würde ich dazu neigen, die Tierfotos besser zu finden, als andere Bilder. Dies wäre jedoch unfair den Fotografen gegenüber, die in anderen Bereichen der Fotografie tätig sind.
Genau deswegen sollte eine Bewertung sehr sachlich sein.
Meiner Meinung nach muss ein Bild zunächst einmal in seine Eigenschaften zerlegt und analysiert werden. Die Jurierung sollte anschließend sehr differenziert bezüglich der Eigenschaften eines jeden Bildes stattfinden.
Wie jedoch kann diese Aufgabe gemeistert werden?
Zunächst einmal sollten wir wissen, was ein Bild normalerweise ausmacht
- Das fotografische Auge: Hat der Autor ein interessantes Motiv entdeckt?
- Das Talent: Hat er aus der Situation das Beste herausgeholt? Die Bildaussage: Bewegt mich das Foto? Hat es überhaupt eine Aussage?
- Die Gestaltung: Ist es dem Autor gelungen, das Zusammenspiel von Licht, Schatten, Farben, Formen, Linien etc. gut und kreativ ins Bild zu setzen? Dies setzt natürlich voraus, dass der Juror sich selbst mit den Gesetzen der Bildgestaltung auskennt.
- Die Technik: Hiermit ist das handwerkliche Können des Autors gemeint. Motivgerechte Schärfe? Sinnvoller Einsatz eines Filters? Blitzen auf dem zweiten Verschlussvorhang? Einsatz von ungewöhnlichen Techniken für die Realisierung von ungewöhnlichen Bildern, usw.
- Die Technik im Extremfall: Ist die Aufnahme, eine schwierige Situation? Wie z.B. Extremsport, Aufnahmen unter Einsatz des eigenen Lebens, z.B. bei Aufnahmen von gefährlichen Tieren oder in lebensgefährlichen Gegenden, wie z.B. in den Kriegen und Krisenregionen der Welt usw.? Solche Aufnahmen dürfen nicht mit denselben Maßstäben gemessen werden, wie die Bilder, die in einem sauberen, bequemen und klimatisierten Studio aufgenommen werden.
- Die Präsentation: Falls die Bilder ausgedruckt sind, sind die Sauberkeit, die Qualität der Prints und die Art der Präsentation der Fotos ebenso wichtig, wie z.B. ein passendes Passepartout.
- Der persönliche Geschmack: Wie ich bereits weiter oben erklärt habe, sind wir Menschen vom Leben sehr unterschiedlich geprägt und deswegen haben wir immer einen persönlichen Geschmack zu allem, was uns begegnet. Da wir bei einer Bildjurierung dieses Empfinden nicht komplett ausschalten können und auch nicht sollten, bekommt dieses persönliche Empfinden einen eigenen Bereich in der Bewertung der Bilder.
Laut meiner Definition der Bildeigenschaften kann nun eine tabellarische Auflistung einer Bildjurierung mit von mir vorgeschlagenen Prozentsätzen so präsentiert werden:
Eine Meisteraufnahme wird mit 100% bewertet und setzt sich aus den folgenden Kriterien zusammen:
30%
- Das fotografische Auge
- Das Talent
- Die Bildaussage
Hat der Autor das Motiv gut gesehen? Ist es eine interessante Situation? Hat das Bild eine Aussage?
30%
- Die Gestaltung
Hat der Autor sein Foto bewusst und gut gestaltet?
30%
- Die Technik
- Die Technik im Extremfall
- Die Präsentation
Ist es dem Fotografen gelungen, die Technik optimal zu nutzen, um damit ein besseres Bild zu kreieren, als ein Laie? Hat er trotz schwieriger Bedingungen ein perfektes Bild aufgenommen? Ist das ausgedruckte Foto sauber, in guter Qualität und ansprechend?
10%
- Der persönliche Geschmack
Mit mehr als 10% darf ein Juror seinen persönlichen Geschmack nicht einbringen, sonst ist es den Bildautoren gegenüber ungerecht.
Wenn der Wettbewerb unter einem bestimmten Moto veranstaltet wurde und der Autor sich überhaupt nicht an das Thema gehalten hat, so ist sein Bild ohne Jurierung aus dem Wettbewerb auszuschließen.
Ihr Benny Rebel