Die Teilnehmer meiner Fotosafari und ich sitzen auf einem Boot und wir wollen einen Eisvogel fotografieren, während er einen Fisch aus dem Fluss holt.
Der Vogel ist klein, unberechenbar und schnell. Wir sitzen auf einem Boot, das ständig von der Strömung weggetragen wird und wir kontinuierlich dagegen rudern müssen, um unsere Position auf dem Fluss halten zu können. Es sind also erschwerte Bedingungen, die das Fotografieren etwas umständlicher gestalten.
Ich habe am Tag zuvor einen Fischer beauftragt, für unseren Fotoworkshop viele kleine Fische zu angeln, womit wir einen Eisvogel locken wollen. Die toten Fische bekommen jeweils ein kleines Stück Schilf in ihr Maul gesteckt, damit sie im Fluss nicht schnell untergehen.
Ich bereite unsere Fotografen darauf vor, dass eine actionreiche Fotosession gleich noch folgen wird, und gebe die technischen und gestalterischen Tipps weiter. Ich sage ihnen, dass sie auf unser Kommando schnelle Serienbilder aufnehmen müssen. Diese Fotosession passiert so schnell, dass normale Fotografen motorisch kaum eine Chance haben, auf dem wackeligen Boot die ganze Aktion fotografisch verfolgen zu können.
Das Wichtigste bei diesem Fotoworkshop ist der Moment, an dem der schöne Eisvogel ins Wasser taucht und den Fisch aus dem Wasser herausholt. Wenn die Wasserspritzer in alle Richtungen fliegen und das Wasser zu explodieren scheint, muss der Mini-Vogel scharf abgebildet auf dem Speicherchip eingefangen werden. Genau diesen Moment einzufrieren, ist das Ziel und die große fotografische Herausforderung.
Dies ist einfacher gesagt, als getan. Ich habe in den letzten Jahren mehrfach auch erfahrene Fotografen auf dem Boot gehabt, die total verzweifelt waren, weil sie trotz meiner Anleitungen und Hilfestellungen sehr viele Anläufe brauchten, bis sie irgendwann brauchbare Bilder aufnehmen konnten.
Nun zurück zu unserem Fotoworkshop auf dem Fluss.
Unsere Assistenten kennen die Territorien der hiesigen Eisvögel und wissen, welche Tiere gerne die zusätzlichen Mahlzeiten von Menschen annehmen. Nicht jeder Eisvogel nimmt einen Fisch, der von Menschen gesponsert wird!
Nach einer Weile finden wir den gewünschten Eisvogel, der von unseren Assistenten per Lockruf zum Flussrand gelockt wird. Wir müssen das Boot quer zur Fließrichtung des Flusses so parken, dass wir möglichst keine Bäume im Hintergrund haben. Wenn Bäume im Hintergrund sind, driftet das Autofokussystem der Kameras oft ab und der Vogel wird nicht scharf abgebildet und selbst wenn alles gut geht, sieht das Bild hinterher nicht so gut aus, weil der Hintergrund unruhig sein wird.
Dann läuft der Workshop so ab:
Nachdem ich alle technischen Einstellungen an unsere Fotografen weitergegeben habe, wirft einer von unseren Assistenten den Fisch genau an die Stelle, die ich vorher definiert habe. Dort passen das Licht und der Hintergrund sowie der Abstand zu unseren Fotografen perfekt.
Die Teilnehmer meiner Safari stellen die Schärfe auf den Fisch und unser zweiter Assistent beobachtet kontinuierlich den Eisvogel, während unsere Fotografen nur den Fisch im Auge behalten. Sobald der Eisvogel losfliegt, um sich den Fisch zu holen, zählt unser Assistent von 3 nach 1 rückwärts. Bei 1 befindet sich der Vogel kurz vor der Wasseroberfläche und bei 1 müssen alle Fotografen im Dauerfeuer schnelle Serienbilder aufnehmen. Oft passiert dies so schnell, dass die Fotografen noch nicht einmal sehen, was sich überhaupt vor ihrer Linse abspielt. Erst nach der Sichtung ihrer Bilder auf dem Boot sehen sie, ob sie den Vogel im richtigen Moment und auch noch scharf erwischt haben oder nicht.
Mit so viel Aufwand, Vorbereitung und natürlich auch Wiederholungen der Workshops auf dem Fluss ist es normalerweise so, dass die absolute Mehrheit unserer Fotografen mit tollen Actionaufnahmen von solchen anspruchsvollen Fotoworkshops wieder zurückkommen.
Wir bieten unseren Fotografen in Kooperation mit unseren lokalen Assistenten in mehreren unterschiedlichen Ländern der Welt solche Workshops an, bei denen sie unterschiedliche Eisvogelarten, Reiher, Schreiseeadler, Fischbussarde und andere Vögel in Aktion fotografieren können. In den letzten Jahren habe ich Euch etliche Bilder davon gezeigt, die immer noch auf meiner Homepage zu finden sind. Ohne die Hilfe unserer Assistenten und ohne unsere akribischen Vorbereitungen sind solche Bilder auf einer Fotosafari, wie das heutige, so gut wie unmöglich.
Wie ich in meinem gestrigen Beitrag bereits erwähnt habe, sehe ich meine Aufgabe als Leiter und Anbieter von Fotoreisen nicht nur darin, unsere Fotografen durch irgendein Land zu begleiten, sondern ihnen möglichst viele kreative oder teilweise auch anspruchsvolle Fotoworkshops anzubieten und ihnen möglichst viele freakige Tricks zu vermitteln, damit sie sich während der Reise weiterentwickeln können, wenn sie sich dies wünschen. Bei meinen Reisen muss es einen großen Unterschied geben, ob ich bei der Reise dabei bin, oder ob ein normaler Guide Euch durch die Wildnis begleitet.
Gestern habe ich Euch von dem Kolibri-Fotoworkshop im Urwald und vorgestern von dem Black-Background-Fotoworkshop erzählt. Heute habt Ihr über meinen Eisvogel-Fotoworkshop erfahren und in den nächsten Tagen werde ich Euch von anderen Fotoworkshops berichten, damit Ihr seht, wie kreativ die Tierfotografie in der Wildnis sein kann und wie unsere Fotografen auf unseren akribisch organisierten Fotosafaris von unseren Fotoworkshops profitieren können.
Das Leben ist zu kurz und zu schade für aufgeschobene Pläne, Ausreden und mittelmäßige Fotoreisen.
www.Benny-Rebel.com