Es ist Mitternacht und mein Körper ist ermüdet, aber geistig bin ich hellwach. Seit Stunden sitze ich in einem unterirdischen Fotoversteck, um die vorbeikommenden Tiere aus der Froschperspektive fotografieren zu können.
Bis jetzt sind etliche Büffel, einige Zebras, zwei Giraffen, ein paar Warzenschweine und viele verschiedene Vögel zu unserem Wasserloch gekommen, um hier zu trinken. Ich kann meine Augen kaum noch offen halten, weil ich seit 05:00 Uhr morgens in der Wildnis unterwegs gewesen bin und mein Körper unbedingt Ruhe braucht.
Plötzlich taucht in der Dunkelheit ein großes Tier auf, das langsam zum Wasserloch kommt. Zunächst ist es nur ein dunkles Etwas und nicht richtig zu erkennen. Mit jedem Schritt wird nach und nach die Silhouette eines riesigen Nashorns erkennbar. Ein sehr seltenes Tier, das vom Aussterben bedroht ist, kommt immer näher.
Meine Müdigkeit ist sofort verflogen und ich bin total aufgeregt. Ich hoffe, dass ich von diesem Nashorn ein paar brauchbare Bilder aufnehmen kann. Meine Kamera ist auf den „Geräuschlos-Modus” geschaltet, sodass davon keine Klickgeräusche entstehen, die das Tier hätten erschrecken können. Ich sitze nämlich direkt an der ziemlich kleinen Wasserstelle und die Tiere kommen uns hier sehr nahe, um Wasser zu trinken.
Kurze Zeit später steht das tonnenschwere und riesige Nashorn in nur drei Metern Abstand zu mir und trinkt Wasser. Es ist so nah, dass ich sogar die Zecken an seiner Haut mit bloßen Augen erkennen kann. Es weiß ganz genau, dass ich da bin und es schaut mir auch direkt in die Augen, weil ich nicht mit dem Kopf am Sucher meiner Kamera klebe, sondern meine Fotos über mein Display gestaltet.
Ich nehme meine Bilder wie in einem Trancezustand auf. Mein Zeigefinger drückt auf den Auslöser, aber mein Kopf versucht, den Moment zu genießen und die Situation zu begreifen. Ich habe oft Nashörner in der Wildnis gesehen, aber niemals aus dieser Perspektive und aus solch einem kurzen Abstand und dies auch noch in der Nacht, wo alles sowieso etwas spannender wirkt, als tagsüber.
Ich habe während dieser Zeit keine Angst, weil ich sicher in einem Bunker sitze, aber die Nähe zu diesem Tier und die Dunkelheit machen diese Begegnung äußerst spannend. Dieses Erlebnis gehört zu meinen coolsten Erinnerungen der vergangenen Jahre und ich werde es nie vergessen.
Das friedliche Nashorn bleibt nur kurz am Wasserloch. Nachdem sein Durst gestillt ist, zieht das imposante Tier weiter in die Dunkelheit der Wildnis.
Wenige Minuten später kommt eine große Büffelherde zu diesem Wasserloch und ich nehme auch sehr schöne Bilder von diesen mächtigen Tieren auf, aber die Begegnung mit dem Nashorn bleibt das Highlight in dieser Nacht.
Inzwischen gibt es weltweit mehrere Plätze, wo solche unterirdischen Fotoverstecke für Fotografen und Filmemacher gebaut wurden. Das Fotografieren aus solchen Bunkern hat folgende Vorteile:
- Die extrem tiefe Perspektive ist gestalterisch immer besser, als das Fotografieren von einem Auto heraus. Durch die Froschperspektive sehen die Tiere imposanter, überlegener, stärker und erhabener aus.
- Die Fotoverstecke werden oft an Wasserlöchern gebaut, sodass wir Fotografen die Tiere auch mit ihren Spiegelungen im Wasser fotografieren können. Solche Fotos sind natürlich deutlich interessanter als Bilder ohne Spiegelungen.
- Beim Fotografieren aus einem Fotoversteck heraus fahren wir nicht mit einem lauten Geländewagen durch die Wildnis. Wir verbrennen keinen Sprit und wir sparen uns die unangenehme Erfahrung der Fahrt durch die Schlaglöcher, die zahlreich in den Nationalparks vertreten sind.
Somit ist das Fotografieren aus Fotoverstecken, sowohl kreativer, als auch umweltfreundlicher, als die üblichen Safaris.
Zugegebenermaßen kann es auch mal langweilig werden, wenn keine Tiere zum Trinken kommen, aber es kann ebenso passieren, dass man mit dem Auto durch Wildnis fährt und auch keine Tiere zum Fotografieren vor die Kamera bekommt.
Ich freue mich auf meine 2024-Fotosafaris, wo wir in Südafrika und Kenia solche unterirdischen Fotoverstecke gebucht haben, die uns die Möglichkeit bieten, solche Bilder aufnehmen zu können, wie das heute gezeigte Nashorn-Foto. Mal schauen, welche Fotos ich Euch in diesem Jahr zeigen kann.
Ich sende Euch einen herzlichen Gruß aus Hannover zu, wo unser Fluss (die Ihme) vor unserer Haustür immer noch sehr angeschwollen in den Norden fließt.
Euer Benny