Die Angst und die Panik!
Das Camp des Queen-Elizabeth-Nationalparks in Uganda gehört zu den schönsten und abenteuerlichsten in ganz Afrika. Als ich in Uganda unterwegs war, gab es dort kaum Touristen und ich zeltete ganz allein auf einem Stück Grasland in der Nähe des Wassers, von dem aus ich einen wunderbaren Ausblick hatte. Der Campingplatz wies keine Zäune auf, sodass die Wildtiere ihn jederzeit durchqueren konnten.
Hyänen und Flusspferde vor meinem kleinen Zelt
Am ersten Abend saß ich fasziniert vor meinem Zelt und beobachtete mit einer starken Taschenlampe einige Hyänen, die auf ihren nächtlichen Jagdzügen über den Campingplatz streunten. Ihre Augen leuchteten geheimnisvoll, wenn sie in meine Richtung schauten. Später kamen zahlreiche Flusspferde aus dem Wasser, um sich den Bauch mit frischem Gras vollzuschlagen. Auch ihr Weg führte über den Campingplatz. Im Licht der Taschenlampe konnte ich sehen, wie drollige Jungtiere ihren Müttern folgten. Teilweise liefen sie in einem Abstand von weniger als zehn Metern an meinem Zelt vorbei.
Ich wusste, dass Hyänen einem erwachsenen Menschen normalerweise nicht gefährlich werden, aber die Flusspferde waren mir nicht ganz geheuer. Flusspferde töten jedes Jahr mehr Menschen in Afrika als alle Raubtiere zusammen! Nachdem immer mehr Flusspferde aus dem Wasser herauskamen und über den Campingplatz wanderten, ergriff mich die Angst und ich fing an, mir Gedanken zu machen, was alles passieren könnte. Mit einem unguten Gefühl zog ich mich in mein kleines Zelt zurück, um mich auf die Nacht vorzubereiten.
Es dauerte keine fünf Minuten und ich sah einen riesigen Schatten an meinem Zelt. Das Mondlicht warf den Umriss eines Flusspferdes auf mein kleines »Plastikhäuschen«. Der Schreck erwischte mich, als ich noch dabei war, meinen Schlafsack für die Nacht auszubreiten. Mein Herzschlag ging immer schneller – gegen so ein mächtiges Tier würde ich mich niemals verteidigen können! Glücklicherweise lief es jedoch an meinem Zelt vorbei, ohne mir gefährlich zu werden. Später näherten sich noch andere Flusspferde, um dann in der Feme zu verschwinden.
Das Brüllen eines Löwen
In derselben Nacht hörte ich ein Löwenmännchen, das brüllend in seinem Territorium umherzog, um seinen Rivalen die Grenzen zu zeigen. Es war schon ein beängstigendes Gefühl zu wissen, dass der Löwe auch an meinem Zelt vorbeikommen konnte. Mit diesem Gedanken schlief ich schließlich ein und wachte erst bei Sonnenaufgang wieder auf.
Als Allererstes inspizierte ich den Campingplatz und suchte nach Spuren und Fußabdrücken. Dabei sah ich, dass in der Nacht nicht nur Hyänen und Flusspferde den Platz überquert hatten, sondern auch viele andere Tiere. Ich fand Fußabdrücke von Impalas und wenige Meter weiter die Spuren von Stachelschweinen und Schakalen.
Beängstigende Spuren neben meinem Zelt
Während ich fleißig dabei war, die Spuren zu lesen, näherte ich mich meinem Zelt und plötzlich entdeckte ich etwas, das mir den Atem raubte. Ich wurde blass im Gesicht und fing an zu zittern. Löwenspuren direkt neben meinem Zelt! Mir gingen tausend Gedanken durch den Kopf: Was wollte der Löwe dort? Sie mögen doch normalerweise den menschlichen Geruch nicht. Wieso hatte ich ihn nicht bemerkt? Würde er in der nächsten Nacht wiederkommen?
Unter diesen Umständen wäre ich froh über ein wenig Gesellschaft gewesen, doch leider kamen auch an diesem Tag keine weiteren Camper in den Nationalpark und ich blieb allein. Die nächsten menschlichen Behausungen der Nationalparkangestellten waren so weit weg, dass sie mir im Ernstfall überhaupt nicht hätten helfen können. Man hätte wahrscheinlich nicht einmal mitbekommen, wenn der Löwe mich attackiert hätte. Meine einzige Waffe war ein kleines Bundeswehrtaschenmesser.
Den ganzen Tag überlegte ich, was ich tun könnte, wenn der Löwe zurückkäme und dieses Mal vielleicht einen Schritt weiter gehen würde. Damals hatte ich noch nicht die Erfahrung von heute und war dementsprechend verunsichert. Von den Löwen war ich schon immer fasziniert gewesen, wollte sie aber nur aus sicherer Distanz bewundern und nicht direkt vor meinem Zelt. Eine unsichtbare negative Energie, die durch die Angst freigesetzt wurde, übernahm immer mehr die Kontrolle über meine Gedanken, je später es wurde. Trotz der großen Anspannung kam es mir jedoch nicht in den Sinn, den Nationalpark zu verlassen. Ich hatte mich auf den Aufenthalt im Park wochenlang gefreut und wollte nicht so schnell aufgeben und weiterziehen.
Die einsame Nacht und meine Angst
Als die Sonne unterging und die ersten nächtlichen Geräusche zu hören waren, fühlte ich eine schreckliche Beklommenheit und ich war alleine auf dem Campingplatz. Die Haare auf meinen Armen hatten sich senkrecht aufgestellt. Ich saß, in Angstschweiß gebadet, mit der Taschenlampe vor meinem winzigen Zelt und jede Bewegung und jedes Rascheln im Busch verursachte bei mir fast einen Herzinfarkt.
Die Hyänen, die mir sonst keine Angst machten, waren für mich in dieser Nacht wie Gespenster und Boten des Todes. Die Flusspferde jagten mir eine unerklärliche Furcht ein und ich fühlte eine unendliche Schwäche und Hilflosigkeit.
Das Schlimmste aber lag noch vor mir: die lange Nacht, in der die Löwen hauptsächlich aktiv sind.
Irgendwann dachte ich, es sei besser, ins Zelt zu gehen und zu versuchen zu schlafen, egal was draußen passierte. Ich war so erschöpft, dass ich tatsächlich bald einschlafen konnte.
Der erste Schreck dieser Nacht
Nach einer Weile schreckte ich hoch und hörte, wie es neben meinem Kopf raschelte. Zu Tode erschrocken nahm ich wahr, dass sich ein Tier direkt neben meinem Zelt zu schaffen machte. Es bewegte sich hin und her und versuchte, ein Loch zu graben. Ich war total durcheinander und wusste nicht weiter. In einem Dokumentarfilm hatte ich einmal gesehen, wie ein Löwe ein Warzenschwein aus seinem Erdloch ausgegraben und getötet hatte. Diese Schreckensbilder gingen mir durch den Kopf und ich bildete mir ein, dass der Löwe da draußen versuchte, mich aus »Versteck« zu holen.
Schließlich verstand ich jedoch, was das Tier dort tat. An seiner Art zu schnüffeln und zu atmen erkannte ich, dass es sich nicht um ein Raubtier handelte, sondern höchstwahrscheinlich um ein Buschschwein. Daraufhin klopfte ich einige Male an die Zeltstange und machte etwas Krach. Dadurch erschrak es und entfernte sich schleunigst von meinem Zelt. Ich atmete tief durch und schaute hinaus. Es war kein Tier zu sehen und alles schien ruhig. So ruhig, dass es mir schon wieder verdächtig vorkam. Trotzdem kehrte ich in mein Zelt zurück, meditierte einige Minuten und schlief wieder ein.
Mein Albtraum wurde wahr
Plötzlich wurde ich durch ein schreckliches Geräusch in die Realität zurück katapultiert. Mein Atem geriet sofort außer Kontrolle und ich spürte die Urangst in meinem Körper, bis mir alle Muskeln wehtaten, weil sie so angespannt waren. Der Löwe war wieder da und alles, was mich von ihm trennte, war die dünne Zeltwand aus Plastik! Er stand nur wenige Meter von meinem Zelt entfernt und brüllte. Es war so laut, dass der Boden unter meinem Zelt vibrierte. Ich hörte seinen Atem, der immer näherkam. Das Mondlicht warf seine Silhouette auf mein Zelt, das aus nur einer extrem dünnen Kunststoffwand bestand und eine Höhe von nur einem Meter aufwies.
Vorbereitung auf eine Löwenattacke
Trotz meiner unbeschreiblichen Angst versuchte ich, einen klaren Kopf zu bewahren, und überlegte, was die beste Strategie in solch einem Fall war. Das Zelt zu verlassen, wäre die dümmste Reaktion gewesen. Damit würde ich nur die Aufmerksamkeit des Löwen auf mich lenken. Dies könnte ihn zwar eventuell verscheuchen, aber es hätte ihn auch reizen können, mich anzugreifen. Also blieb ich im Zelt. Ich legte mich auf den Rücken, hielt mir mit der linken Hand den Mund zu, damit ich vor Angst keine unkontrollierten Geräusche von mir geben konnte, klappte mein Taschenmesser auf und hielt es in meiner rechten Hand. Mein Plan war wie folgt: Wenn der Löwe mich tatsächlich holen wollte, musste er in das Zelt eindringen und dann würde ich ihm das Messer ins Auge rammen.
Währenddessen schlich der Löwe ein paar Meter weiter und fing wieder an zu brüllen. Ein weiterer Löwe war aus weiter Distanz zu hören. Wahrscheinlich ein Herausforderer. Der Löwe auf dem Campingplatz war ganz aufgeregt und lief lautstark hin und her. Mit jedem seiner Schritte starb ich tausend Tode! Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich so etwas erlebte.
Der Löwe war aufgeregt und aggressiv
Das ganze Spektakel dauerte etwa eine Dreiviertelstunde, die mir wie drei Jahre vorkam. Immer wenn der Löwe etwas weiter wegging, dachte ich, dass der Albtraum vorbei wäre. Wenige Minuten später kam er jedoch brüllend wieder zurück. Nach einer halben Ewigkeit trollte er sich endlich und ich blieb mit völlig verhärteten Muskeln zurück, die mir sogar beim Liegen wehtaten. Ich konnte nicht mehr einschlafen und war am nächsten Tag wie traumatisiert.
Auf der Suche nach einem Weg zum Rivalen
Den Grund für seinen langen Aufenthalt bei mir habe ich dann allerdings herausgefunden. Er wollte einen Weg zu seinem Rivalen finden, der auf der anderen Seite des Wassers war. Deswegen lief er hin und her und war so außer sich. Ich war offensichtlich nicht der Grund für seine Aufregung gewesen, doch solch eine Begegnung vergisst man sein Leben lang nicht mehr!
Heute weiß ich, dass ich in einem Zelt sicher bin, auch dann, wenn das Zelt sehr klein ist. Damals hatte ich jedoch noch nicht die Erfahrung von heute und meine Angst war unbeschreiblich groß, obwohl ich generell kein ängstlicher Mensch bin.