Anfang der 1990er- Jahre befand ich mich mit zwei Wildhütern auf einer Zu-Fuß-Safari in einem privaten Wildschutzgebiet an der Grenze des Krüger Nationalparks in Südafrika. Die beiden Ranger begleiteten mich mehrere Tage lang durch das Tierreservat, während ich dort eine Reportage über Löwen realisieren wollte.
Eines Nachmittags folgten wir den Spuren eines Löwenmännchens zu einem großen Wasserloch. Auf dem Weg dorthin entdeckten wir neben den Fußabdrücken des Löwen auch Spuren von anderen Tieren, unter anderem von Nashörnern und Elefanten, die wahrscheinlich ebenfalls auf dem Weg zum Wasserloch waren. Ein paar abgefressene Äste wiesen außerdem auf die Anwesenheit eines Spitzmaulnashorns hin. Die Zähne dieses Tieres sind in seinem Ober- und Unterkiefer so angeordnet, dass sie die Äste der Büsche, von deren Blättern sie sich ernähren, immer in einem 45-Grad-Winkel anschneiden. Derartig bearbeitete Äste haben wir auf unserem Weg an mehreren Stellen entdeckt.
Am späten Nachmittag erreichten wir erschöpft das Wasserloch und pirschten uns, so leise wie möglich, heran. Den »König der Tiere« und das Spitzmaulnashorn haben wir zwar nicht vorgefunden, dafür aber viele andere Tiere, die ihren Durst stillten. Links von uns befanden sich vier Breitmaulnashörner, rechts von uns eine große Büffelherde mit mindestens fünfhundert Tieren. In dem Wasserloch entdeckten wir außerdem einige Krokodile und Flusspferde.
Während wir lautlos im Busch saßen und das friedliche Geschehen beobachteten, hörten wir plötzlich hinter uns ein ohrenbetäubendes Krachen und das Splittern eines Baumes. Wir wussten sofort, was los war: Wir saßen in der Falle! Eine große Elefantenherde marschierte durstig in Richtung Wasserloch. Allen voran zwei Elefantenbullen, die sich in der Mast, wie man die Brunftzeit der Elefanten nennt, befanden. Während dieser Phase sind die Bullen äußerst aggressiv und demonstrieren ihre Stärke durch das Attackieren anderer Tiere oder das Zerbrechen von Bäumen. Die Situation sah für uns äußerst ernst aus. Krisenmanagement war angesagt, um unser Leben zu retten.
Links und rechts von uns waren gefährliche Tiere, an denen wir auf keinen Fall einfach vorbeilaufen konnten. Ins Wasser zu springen, wäre Selbstmord gewesen – ich erinnere nur an die Krokodile und Flusspferde! Und von hinten kamen zudem mindestens fünfzig Elefanten auf uns zu. Die Wildhüter schlugen vor, direkt zum Wasserloch zu laufen, aber natürlich nicht hineinzugehen.
Als sich die Elefanten dem Wasserloch näherten, brachen die Nashörner in Panik aus und rannten genau auf uns zu. Elefanten sind weitaus stärker als Nashörner und vertreiben diese oft von den Wasserlöchern.
Mir stockte der Atem. Mein Herz raste wie wild und ich wartete verzweifelt darauf, dass die Ranger uns aus der Situation retten würden. Die Fährtenleser reagierten mit dem alten Buschtrick, den ich bereits kennengelernt hatte. Sie formten ihre Hände wie ein Megafon und gaben ein lautes »Pfffo!« von sich. Die Nashörner rasten auf uns zu und für einen Moment hatte ich das Gefühl, dass wir diesen Tag nicht überleben würden. Doch schließlich blieben sie stehen.
Unser Problem war damit aber noch lange nicht gelöst, denn die Elefanten kamen unaufhaltsam auf uns zu. Zum Glück hatten wir immer ein Funkgerät dabei. Jetzt war es an der Zeit, damit Hilfe zu rufen. Ein Ranger, der mit einem Geländewagen in der Nähe unterwegs war, hörte unseren Hilferuf und machte sich auf den Weg. Inzwischen kauerten wir neben dem einzigen großen Baum am Wasserloch, der uns etwas Schutz bieten konnte. Die Elefanten wussten nicht, wie sie auf uns reagieren sollten. Die Zeit lief uns davon und unsere hoffnungslose Lage verschlimmerte sich von Minute zu Minute.
Die Elefanten waren irritiert – normalerweise fürchten sie den Menschen und gehen ihm aus dem Weg. Der Durst trieb sie dennoch weiter zum kostbaren Nass. Durch ihre Irritation und ihren Ärger griffen sie die Nashörner an und versuchten diese vom Wasserloch zu vertreiben. Ich bekam einen Adrenalinschock nach dem anderen, während diese Machtkämpfe vor unseren Augen stattfanden. Aus sicherer Entfernung hätte ich davon unglaublich gute Fotos machen können, doch so wie meine Hände zitterten, wäre kein scharfes Bild dabei zustande gekommen. Ich schaute die Ranger an und sah ihre angstverzerrten Gesichter. »Wir müssen jetzt laut, aber nicht aggressiv miteinander sprechen«, entschieden sie. »Damit die kurzsichtigen Elefanten genau wissen, wo wir sind. Sie dürfen sich nicht erschrecken, wenn sie in unsere Richtung kommen. Sonst könnte dies zu einer Attacke führen.«
Die pure Angst in unsere Gesichter geschrieben, suchten wir für zehn lange Minuten hinter dem Baum Schutz, bis endlich die ersehnte Hilfe kam. Als wir den heranfahrenden Wagen hörten, dachten wir nur noch an unsere Rettung. Doch wir hatten die Rechnung ohne den riesigen Elefantenbullen gemacht, der sich nun dem Wagen entgegenstellte und den Ranger lautstark attackierte. Um sein eigenes Leben zu retten, musste der Wildhüter umdrehen und wegfahren. Aus verschiedensten Richtungen versuchte er immer wieder, uns zu erreichen, doch jedes Mal griff der Bulle erneut den Wagen an. Für uns war die Situation zum Heulen: Wir sahen die helfende Hand, die uns aber nicht erreichen konnte. Der übermütige Elefantenbulle demonstrierte seine Stärke und Überlegenheit mit allen Mitteln, die Gott ihm gegeben hatte. Seine Aggression machte nicht nur uns Angst: Die anderen Elefanten und auch die Büffel waren höchst aufgeregt und verunsichert.
Schließlich lockte der Ranger den Bullen etwas weiter vom Wasserloch weg und nach einem schnellen Richtungswechsel überholte er ihn mit einem riskanten Manöver. Er kam mit Vollgas auf uns zugerast, während der verärgerte Bulle ihm trompetend folgte. Durch diese Lärmentwicklung brachen alle anwesenden Tiere am Wasserloch in Panik aus und jedes Tier versuchte nun zu flüchten. Unsere ohnehin schlechte Lage spitzte sich dadurch dramatisch zu. Die Elefanten und die Büffel liefen wie von Geistern getrieben in alle Himmelsrichtungen. Die spitzen Hörner der Büffel rasten an uns vorbei, während wir hinter dem Baum Schutz suchten.
Der Geländewagen fuhr auf uns zu und der aggressive Elefantenbulle hatte nur eines im Kopf: den Ranger plattzumachen! Der Wildhüter gab uns ein Zeichen, dass wir uns beeilen sollten. Während das Auto an uns vorbeifuhr, sprangen wir irgendwie auf den offenen Geländewagen, fast wie in einem James-Bond-Film. Mit Vollgas preschten wir davon. Der Elefantenbulle folgte uns noch einige Meter, bevor er seine Wut an einem Baum ausließ. Obwohl dieser einen Durchmesser von mindestens dreißig Zentimetern hatte, brach er in Sekundenschnelle in zwei Teile. Solch einen aggressiven und starken Elefanten hatte ich nie zuvor gesehen.
Nach einer einstündigen Fahrt erreichten wir sicher unser Basiscamp. Wir sammelten etwas Trockenholz für das Lagerfeuer, zündeten es an und dann wurde alles ganz ruhig. Ich war froh, dass keiner von uns und kein Tier verletzt worden war. Wir hatten einen aufregenden Tag hinter uns und trotz der Gefahren war ich glücklich, ihn erlebt zu haben.