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Die Dämmerung senkt sich über das stattliche Haus, als die ersten Gäste eintreffen. Um 18 Uhr füllt sich der einladende Raum mit 40 weltoffenen und freundlichen Philosophen sowie fünf talentierten Musikern. Sie alle sind der Einladung meines Bruders gefolgt, der diese inspirierende Zusammenkunft einmal im Monat ausrichtet.
Im Herzen des großzügigen Wohnzimmers haben sich die Gäste in einem einladenden Halbkreis versammelt. Auf den Tischen prangt ein Festmahl für Geist und Gaumen: Äpfel, Bananen, Orangen, erfrischende kleine Gurken, eine verlockende Auswahl an iranischen Süßigkeiten, Gebäck, Nüsse und duftender Tee laden zum Verweilen ein.
Sobald jemand das Wort ergreifen möchte, findet sich der Redner in der Mitte des Halbkreises ein, wo er von allen Anwesenden gut gesehen und gehört wird. Mit Leidenschaft und Eloquenz entfaltet sich das gewählte Thema. Anschließend entspinnen sich anregende Diskussionen, in denen Fragen gestellt, Ideen ausgetauscht und Gedanken weiterentwickelt werden.
Bevor die nächste Debatte entflammt, erheben die Musiker ihre Instrumente und verzaubern die Runde mit traditionellen und gefühlvollen Klängen. Die Philosophen, vertraut mit den Melodien, stimmen freudig ein, und einige erheben sich sogar zu einem spontanen Tanz.
Die Atmosphäre in diesem Raum ist von einer ansteckenden Wärme und positiven Energie durchdrungen, die mich jedes Mal aufs Neue tief berührt.
Nach den musikalischen Intermezzi kehren die Philosophen zurück zu ihren intellektuellen Auseinandersetzungen.
Ich werde eingeladen, meinen Platz in der Rednerposition einzunehmen und von meinen Reisen zu berichten. Eine Ehre, die ich in den vergangenen Jahren bereits mehrfach hatte. Meine Erzählungen sind jedoch keine bloßen Wiedergaben von Informationen, die in Wikipedia oder Google leicht zugänglich sind. Das wäre eine Verschwendung der kostbaren Zeit aller Anwesenden.
Stattdessen teile ich oft vergleichende Einblicke in die wirtschaftlichen, intellektuellen, politischen, sozialen, religiösen und humanitären Lebensweisen der Menschen in den Ländern, die ich kürzlich besucht habe.
Anhand von lebendigen Beispielen beleuchte ich die Erfolge und Misserfolge verschiedener Völker in den unterschiedlichen Bereichen ihres täglichen Lebens.
Dieses Mal liegt mein Schwerpunkt auf dem allgegenwärtigen Thema der Korruption.
Ich schildere, wie ich über 30 Jahre hinweg aufmerksam beobachtet habe, wie Südafrika, Simbabwe und einige andere Staaten durch Korruption zugrunde gerichtet wurden. Diese Beobachtungen stelle ich in den Kontext der Entwicklungen in anderen Ländern der Welt, einschließlich des Irans.
Anschließend widmen wir uns der Thematik der steigenden Goldpreise und deren mögliche wirtschaftliche, politische und soziale Auswirkungen auf den Alltag der Menschen und die Stabilität der Staaten.
Nach einem köstlichen Mahl wird die musikalische Untermalung des Abends fortgesetzt, begleitet von weiteren anregenden Gesprächen und spontanen Tanzeinlagen.
Es ist ein Abend der Inspiration, des Austauschs und der Freude.
Um 2 Uhr morgens verlassen die letzten Philosophen das Haus, erfüllt von den geistigen und emotionalen Bereicherungen des Abends.
Jedes Mal, wenn ich von diesen regelmäßigen Treffen der Philosophen im Iran berichte, erhalte ich positive und erstaunte Rückmeldungen von Lesern und Zuhörern.
Nur wenige Menschen außerhalb des Irans wissen, dass solche Zusammenkünfte im 21. Jahrhundert noch regelmäßig stattfinden.
In einer Welt, in der immer mehr Menschen in ihren Smartphones versunken sind, scheint es kaum vorstellbar, dass solche Treffen in einem privaten Haus stattfinden können.
40 Menschen, vereint in ihrem Durst nach Wissen und kultureller Bereicherung, verbringen gemeinsam eine überaus fröhliche, musikalische, freundschaftliche und bildende Zeit.
Ja, das gibt es im Iran, und zwar seit Jahrtausenden in ähnlicher Art und Weise.
Ich fühle mich zutiefst privilegiert und glücklich, dass ich jedes Jahr mindestens einmal an diesem außergewöhnlichen philosophischen Zirkel teilnehmen darf.
Wenn Du diesen Bericht in einem Land außerhalb des Irans liest, wirst Du mit Sicherheit einen ähnlichen Aha-Effekt erleben wie die iranischen Philosophen, wenn ich ihnen von anderen Ländern erzähle.
Es sind eben Informationen, die nicht überall erhältlich sind.
Ich sende Euch einen sonnigen und herzlichen Gruß aus dem Iran und wünsche Euch allen ein erfülltes Leben.
Herzlichst Euer
Benny
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