„Alles wird schlimmer. Nichts ändert sich! Früher war alles besser.“
Diese oft verwendeten Redewendungen sind falsch. Global gesehen ändert sich alles kontinuierlich und global gesehen wird alles ständig besser.
Zu diesem Thema möchte ich Euch heute ein Kunstwerk präsentieren, woran ich in der letzten Zeit gearbeitet habe und Euch anhand dieses Kunstwerkes einen Einblick in meine Welt der Philosophie, Geschichte und Kunst gewähren.
Vor etwa 30 Jahren bin ich in Uganda in ein Museum gegangen und habe dort die ausgestellten Exponate bewundert. An dem Tag war ich der einzige Gast des Museums und ich kam mit der Managerin des Hauses ins Gespräch. Sie erzählte mir viel über die Kunstwerke und über die teilweise blutige Geschichte Ugandas. Am Ende des Gespräches machte sie mich darauf aufmerksam, dass das Museum einen Shop habe, in dem ich aussortierte Exponate kaufen könne. Die Kunstwerke seien mindestens 100 Jahre alt und das Museum muss gelegentlich einige Gegenstände verkaufen, um sowohl Platz für andere zu schaffen, als auch den Betrieb des Museums selbst mit zu finanzieren.
Ich zeigte mich interessiert und bin mit ihr in den Shop gegangen. Dort habe ich tatsächlich zwei Exponate gefunden, die mir sehr gut gefallen haben. Obwohl sie für mein damaliges Budget viel zu teuer waren, habe ich sie gekauft und mit nach Deutschland gebracht. Und die heutige Geschichte betrifft eines dieser Kunstwerke.
Ein grimmig schauender Häuptling trägt auf seinem Rücken eine Maske. Diese soll symbolisieren, dass er auch hinten Augen hat und seine Feinde im Blick behalten kann. Ein Stück Affenfell bedeckt seinen Körper. Auf seinem Kopf ist ein Hut, den seine Frauen für ihn angefertigt haben. Dieser ist aus Holz, Muscheln, Lehm und Vogelfedern zusammengebastelt und ganz oben befindet sich das Horn einer Antilope, das nach vorne gerichtet ist. Er ist ein brutaler und erfahrener Krieger, der mit Zorn und Gewalt potenzielle Angreifer von seiner Familie und seinem Dorf fernhalten möchte. All das ist in dieser kleinen, aus Holz geschnitzten Figur zu erkennen. Es müssen wohl furchtbare Zeiten gewesen sein, als der unbekannte Künstler diese Holzfigur kreiert hat.
Die letzten 30 Jahre hat diese Holzfigur, die ich „Häuptling Massaker“ genannt habe, in meinen Wohnungen verbracht. Sein Affenfell-Kleid und das Vogelgefieder auf seinem Hut waren zuletzt dabei, sich selbst aufzulösen und zu Staub zu zerfallen, als mir die Idee kam, dem alten Häuptling ein neues Leben zu schenken.
Dabei fiel mir das alte Lied der hannoverschen Band Scorpions ein, das während der Öffnung des Ostblocks und der Sowjetunion zu einem Welthit wurde. Ja, die Rede ist von dem Lied „Wind of Change“.
Dieser erfrischende Wind sollte auch Häuptling Massaker zu einem Imagewechsel helfen und ihn in das 21. Jahrhundert transformieren. Aus dem brutalen und grimmigen Krieger sollte ein Mann entstehen, der zwar seine feminine Seite entdeckt aber seine afrikanischen Wurzeln nicht vergessen hat. Er sollte sich gegen die Homophobie und für mehr Toleranz einsetzen. Er sollte die dunkle Vergangenheit verlassen und in die neue, reiche und bunte heutige Welt transformiert werden. Um diese Aussage auf die Spitze zu treiben, habe ich seine Fingernägel, Fußnägel und die Lippen in rosa lackiert.
Aus dem furchterregenden Häuptling Massaker sollte nun der aufgeklärte, tolerante, weltoffene und modebewusste Häuptling Mascara entstehen.
Mit dieser Idee im Kopf habe ich den Häuptling von Affenfell und Vogelgefieder befreit und ihm mit dem Pinsel in meiner Hand ein neues und erfrischend freundlicheres Erscheinungsbild geschenkt. Dabei habe ich im Hinterkopf behalten, welche Farben die Afrikaner oft mögen.
Gold ist den Mächtigen in Afrika sehr wichtig und deswegen hat auch unser Häuptling einiges an Gold geschenkt bekommen. Die ursprüngliche Holzfigur hatte keine Zähne. Nun habe ich unserem Häuptling sogar Goldzähne angemalt. In Afrika sieht man oft fröhliche Kleidungsstücke und Schmuckgegenstände, die in den Grundfarben plus schwarz und weiß getragen werden. Somit habe auch ich diese Farben gewählt, um das Aussehen des Häuptlings upzudaten. Das geschminkte Gesicht und die Hose mit den Herzen sollen symbolisieren, dass er das männlich Brutale seiner Vergangenheit gegen die weiblich verspielte Gegenwart eingetauscht hat. Mir persönlich gefällt er so viel besser.
Soviel zu diesem Kunstwerk, das ich vermutlich demnächst verkaufen werde, wenn sich ein Kunstliebhaber dafür interessiert. Ich habe nämlich selbst leider keinen Platz in meiner Wohnung, wo ich den Häuptling standesgemäß ausstellen kann.
Nun zu meiner philosophischen Grundidee zu diesem Kunstwerk:
Normalerweise bin ich sechs Monate im Jahr in der Welt auf unterschiedlichen Kontinenten unterwegs und höre mir in verschiedenen Ländern immer wieder die folgenden Sätze an:
„Alles wird schlimmer! Nichts ändert sich! Früher war alles besser“
Dies stimmt nicht, wenn wir die Entwicklung der Länder global betrachten. Es mag sein, dass sich die Lage in einigen Gebieten verschlechtert hat aber nur im Vergleich zu den letzten wenigen Jahren und nicht im Vergleich zu den letzten Jahrhunderten oder Jahrtausenden.
Unsere heutige Welt ist erheblich friedlicher, als jemals zuvor. Kriege waren früher ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Lebens und zwar überall seitdem es uns Menschen gibt. Hunger und Krankheiten waren ebenfalls ununterbrochen die Begleiter des täglichen Lebens und sie hatten früher ganz andere Ausmaße, als heute.
Der heutige Wohlstand, in dem ein Großteil der Weltbevölkerung lebt, wäre noch für unsere Urgroßeltern das Leben im Paradies, ganz zu schweigen von den Generationen davor, die ein noch ärmeres, unsicheres und schwierigeres Leben führen mussten. In den letzten Jahrtausenden musste der Mensch immer Angst haben, dass seine Dorfbewohner oder seine Familie in der Nacht überfallen, bestohlen oder ermordet werden. Man wusste nie, ob einem die nächste Mahlzeit sicher ist oder nicht. Gegen Krankheiten und Knochenbrüche gab es kaum oder keine Mittel und die Angst war der ständige Begleiter aller Menschen.
Wenn wir uns ein wenig mit unserer Geschichte vertraut machen, werden wir wissen, dass wir heute im Paradies leben. Trotz regionaler Missstände hat die Menschheit niemals besser gelebt, als heute. Lasst uns also unser Leben bewusster genießen und unsere Tage feiern, weil wir gerade in der Erdgeschichte ein Zeitfenster erwischt haben, in dem wir unser Leben fröhlich, glücklich und weitestgehend in Frieden zelebrieren können!
Mascara statt Massaker!
Mit der Kunst die Geschichte und die Philosophie erklären.
Euer Benny Rebel