Wie Nahaufnahmen mit Weitwinkelobjektiven die traditionelle Tierfotografie verändert haben!
Als ich vor vielen Jahren mit der Tierfotografie begonnen habe, dominierte die Verwendung der langen Brennweiten jenseits von 500 mm den Arbeitsalltag aller Profi-Tierfotografen. Dementsprechend war der Markt der Bilder voll mit Teleaufnahmen von wilden Tieren. Für den Bildermarkt spielte das Internet damals noch keine Rolle. Alle renommierten Bildagenturen veröffentlichten regelmäßig große Kataloge, in denen Tausende Vorschaubilder ihrer Dias abgedruckt waren. Aus solchen Katalogen konnte ich mir relativ schnell einen Überblick verschaffen, wie der damalige Bildermarkt aussah.
Beim Durchblättern der Kataloge am Anfang meiner Karriere fiel mir sehr schnell auf, dass zahlreiche Fotos von Wildtieren sich sehr ähnelten, obwohl diese von verschiedenen Fotografen in unterschiedlichen Ländern aufgenommen worden waren.
Dadurch, dass die Fotos, die mit einem Teleobjektiv aufgenommen werden, eine kleine Schärfentiefe aufweisen, ist es kaum möglich, die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung so gut zu zeigen, wie es mit einem Weitwinkelobjektiv der Fall sein kann. Die Reduktion der Tiere auf ihr Gesicht oder ihren Körper mittels eines Teleobjektives führte dazu, dass die Betrachter der Bilder kaum etwas von der Umgebung der Tiere wahrnehmen konnten. Und genau dies führte wiederum dazu, dass viele Bilder sich sehr ähnelten.
Es gab sicherlich sehr viele schöne Tierfotos, die jedoch oft beliebig austauschbar waren. Der klassische Tierfotograf fuhr mit einem Geländewagen auf Fotosafari oder versteckte sich in seinem Tarnzelt und fotografierte die Tiere aus relativ großer Distanz mit den typischen Effekten eines Teleobjektives. Solche Objektive verdichten, oder, besser gesagt, stauchen die Ebenen im Bild und haben eine relativ kleine Schärfentiefe, die dazu führt, dass solche Bilder oft sehr flach wirken.
(Durch meine damalige Marktanalyse stellte ich fest, dass es extrem selten Weitwinkelaufnahmen von Wildtieren gab.)
Mein Lebensweg zur Fotografie führte mich über meine Passion und Arbeit als Naturschützer zur Welt der Medien. Lange, bevor ich mit der Fotografie angefangen habe, gehörte ich zu den aktiven Mitgliedern bei verschiedenen Umweltschutzorganisationen und war an zahlreichen Umweltschutzprojekten beteiligt. Mit meiner Naturfotografie wollte ich damals, wie auch heute, die Aufmerksamkeit der Betrachter auf die Schönheiten der Natur lenken und mit meinen Bildern für den Schutz der Tiere werben. Damit man jedoch aus der Masse der Naturfotografen herausragt und überhaupt wahrgenommen wird, muss man etwas schaffen, was andere nicht geschafft haben.
Mir kam damals die Idee, meine Bilder anders zu gestalten, als bis dato üblich war und meine eigene Bild-Handschrift so zu entwickeln, dass ich damit die Weitwinkelfotografie in der Tierfotografie etablieren konnte. Ich hatte eine klare Vision, die ich nun verwirklichen wollte.
Ich sparte etwas Geld und kaufte mir mein erstes 14 mm Objektiv, womit ich auf Bilderjagd ging. Meine ersten Resultate führten nach ihrer Veröffentlichung zu unendlichen Diskussionen zwischen den Befürwortern und Gegnern meiner Art, Tiere zu fotografieren. Manche waren begeistert von dieser damals neuen Art der Tierfotografie, während andere entsetzt waren und meinten, dass die Tiere durch den Einsatz des extremen Weitwinkels verzerrt wiedergegeben werden würden usw.
Als ich bemerkte, dass meine neuen Weitwinkel-Bilder die Gemüter der anderen Fotografen in jeglicher Richtung bewegten, wusste ich, dass ich auf dem richtigen Weg war. Jetzt galt es meine Techniken zu perfektionieren und mit dieser neuen Methode Bilder zu schaffen, die in dieser Art noch niemand zuvor gemacht hatte. Dieses Ziel wurde dann auch relativ schnell erreicht und ich veröffentlichte Bilder, die es so noch nie oder extrem selten gab.
(Löwenattacke fotografiert mit 17mm)
Ich hatte zahlreiche Bildideen im Kopf, die ich gerne realisieren wollte. Auf meiner „Shootinglist“ standen u.a. auch Nahaufnahmen von gefährlichen Tieren, wie Löwen, Leoparden, Nashörnern, Krokodilen, Giftschlangen usw. Um solche Tiere mit einem Weitwinkelobjektiv fotografieren zu können, muss man nah an sie herangehen. Dies bedeutete wiederum, dass diese Art der Fotografie mich hätte eventuell das Leben kosten können. Des Weiteren machte ich mir Gedanken darüber, wie ich diese Arbeit verrichten konnte, ohne die Tiere zu stören. Als langjähriger und überzeugter Tierschützer wollte ich nie etwas tun, was den Tieren hätte schaden können.
Um einen geeigneten Weg zu finden, nahm ich mit meinen afrikanischen Ranger-Freunden Kontakt auf und bat sie um ihren Rat. Sie legten mir nahe, dass ich vorerst eine Ranger-Ausbildung absolvieren sollte, bevor ich mit der Kamera losziehe. Ich beschäftigte mich zwar seit meiner Kindheit mit der Verhaltensbiologie und wusste relativ viel über die Verhaltensmuster bestimmter Tiere, jedoch würde dieses Wissen niemals eine Rangerausbildung ersetzen. Somit flog ich nach Südafrika und ließ mich zum Ranger ausbilden. Es waren harte und abenteuerliche Zeiten, in denen ich gelernt habe, wie ich mich draußen in der Wildnis zu verhalten habe und wie ich nah an bestimmte Tiere heran kommen kann, um diese zu fotografieren. Es gibt gewisse Regeln, die beachtet werden müssen, wenn man spektakuläre Nahaufnahmen von gefährlichen Tieren machen möchte und auch länger am Leben bleiben will. Ich musste mich mit den Verhaltensmustern meiner tierischen „Models“ sehr viel auseinander setzen, um zu wissen, wie z.B. ein Löwe aussieht, wenn er relaxt, nervös, verspielt, müde, aggressiv oder krank ist. Dieses Wissen über die Signale, die die Tiere kontinuierlich senden, war der Schlüssel zu meinem Erfolg. Ich wusste irgendwann, zu welchem Zeitpunkt ich mich meinen „Models“ nähern konnte, ohne sie zu stören und ich wusste auch wann ich mich wieder zurückziehen musste, wenn mir z.B. die Tiere mitgeteilt hatten, dass es jetzt genug sei und ich lieber gehen sollte. Ich hielt mich an diese Regeln, beachtete stets, was die Tiere mir mitteilen wollten und respektierte immer ihren „Wunsch“.
(Nashörner fotografiert mit 14mm)
Die meisten Tiere waren nicht kooperativ und rannten weg, sobald sie aus der Ferne die Silhouette eines Menschen gesehen hatten. Manchmal, in seltenen Fällen jedoch, passierte genau das Gegenteil – vor allem die Jungtiere waren ab und zu neugierig und kamen sogar von sich aus zu mir, um zu sehen, wer ich bin, was ich da mache, ob ich „lecker“ bin oder mich als Spielkamerad eignen würde. In solchen Momenten war es sehr wichtig, zuerst das Vertrauen der Tiere zu gewinnen und nichts zu unternehmen, was der möglichen zukünftigen „Freundschaft“ hätte schaden können. Oft habe ich in solchen Situationen nicht fotografiert, obwohl es unter meinen Fingern juckte. Zuerst sollte das Vertrauen hergestellt werden. Des Weiteren musste ich mich zu meinem eigenen Schutz vorerst mit der „Persönlichkeit“ des jeweiligen Geschöpfes vertraut machen.
Es gibt Tiere derselben Gattung, die schüchtern sind, andere sind eher Draufgänger, andere wiederrum Neurotiker oder äußerst aggressiv usw. Bevor ich die ersten Bilder mache, muss ich wissen, mit wem ich es da zu tun habe. Wenn das Tier nur neugierig oder verspielt ist, dann ist es für mich ein leichtes Spiel. Das „Model“ agiert von allein und ich muss versuchen, immer das Beste aus der Situation herauszuholen. Das Wissen über die Verhaltensmuster der Tiere ist auch hierbei äußerst wichtig. Wenn ich erahnen kann, was das Geschöpf als nächstes tun wird, dann sitze ich zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle und bin gut vorbereitet, um spektakuläre Bilder aufzunehmen!
Die Weitwinkel-Tierfotografie setzt voraus, dass man sich sowohl mit der Technik seiner Fotoausrüstung, als auch mit den Verhaltensmustern der Tiere gut auskennen muss.
Um an die Tiere nah heran kommen zu können, muss man das schützende Auto verlassen und sich zu Fuß auf dem Weg machen. In den meisten Nationalparks Afrikas ist dies jedoch verboten. Somit fallen diese Nationalparks als Arbeitsplatz weg. Manche Parks erlauben eine Wanderung durch die Wildnis in Begleitung von bewaffneten Rangern. Diese Zu-Fuß-Safaris sind relativ teuer, vor allem wenn man alleine mit einem Ranger unterwegs sein möchte und sind normalerweise nicht dafür gedacht, dass man sehr nah an die Tiere herankommt. Somit wird die Anzahl der Möglichkeiten immer geringer, um geeignete Orte zu finden, wo die Betreiber der Reservate einem Weitwinkel-Tierfotografen die Möglichkeiten geben, um überhaupt arbeiten zu können.
Hat man ein oder mehrere geeignete Reservate gefunden und bringt man auch das Wissen über die Verhaltensmuster der Tiere mit, so muss man nun die geeigneten Ranger finden, die einem bei der gefährlichen Arbeit helfen sollen. Wenn ich an der vordersten Front einen Löwen im Sucher meiner Kamera habe, kann ich nicht sehen, was um mich herum sonst so alles passiert. Dafür benötige ich einen fähigen Ranger, der die Situation gut im Blick und im Griff hat. Mein Leben liegt in seinen Händen! Somit muss die Wahl des Rangers sehr gut überlegt geschehen. Habe ich einen guten Ranger, der im Hintergrund aufpasst, muss ich trotzdem kontinuierlich das Tier beobachten, welches ich gerade im Sucher habe. Wenn ich ein einziges Signal übersehe oder falsch verstehe, kann dies mein Leben kosten, bevor der Ranger im Hintergrund überhaupt eingreifen kann. Ein Löwe kann mit einem einzigen Prankenhieb oder einem Biss in den Kopf oder ins Genick einen Menschen töten. Auch Nashörner und Elefanten können mit einem einzigen Stoß einen Menschen ins Jenseits befördern. Der Biss einer Giftschlange in abgelegenen Regionen bedeutet einen qualvollen Tod und da kann auch der Ranger im Hintergrund nichts dagegen tun. Dieses Wissen begleitet mich von Anfang an und deswegen bin ich sehr vorsichtig; jedoch nie verängstigt.
(Serval fotografiert mit 16mm)
Mit dem Stichwort “Angst” komme ich nun zum Hauptgeheimnis meiner Arbeit. Ich bekomme fast täglich Emails von Menschen, die wissen wollen, mit welchen technischen Mitteln ich meine Nahaufnahmen mache. Die meisten von ihnen denken, dass diese Art der Fotografie nur mit Hilfe von Hightech-Geräten machbar sei. Das Geheimnis liegt jedoch nicht in der Technik, sondern in meinem eigenen Verhalten!
Keine Angst sondern Respekt vor den Tieren zu haben, ist eine der wichtigsten Fähigkeiten, die jemand wie ich mitbringen muss. Wenn ich mit wilden und vor allem gefährlichen Tieren arbeite, sende ich kontinuierlich die folgende Nachricht durch meine Energie aus, ohne dass ich diese Botschaft aussprechen muss.
“Ich habe keine Angst – ich bin stark; fordere jedoch niemanden heraus – ich bin nicht aggressiv und komme in friedlicher Absicht – ich bin euer Freund und Spielkamerad – ich mag Euch und Eure Familie!”
Es mag sehr esoterisch oder naiv klingen, ich bin jedoch fest davon überzeugt, dass diese telepathische Nachricht bei allen Tieren ankommt.
Die mentale Energie wird vom Körper und Geist gleichermaßen gesendet und wird von jedem Lebewesen verstanden – auch ohne Worte! Diese Fähigkeit ist etwas, was man in keiner Universität lernen und aus keinem Buch entnehmen kann.
Hier ein Beispiel: Ein guter Fährtenleser, der nie die Schule besucht hat, kann so viele unsichtbare oder kaum sichtbare Informationen aus der Umwelt und von den Tieren entnehmen, dass es manchmal wie Zauberei aussieht. Die ganz gewöhnlichen Biologen von unseren Universitäten sind an diesen Stellen so gut wie blind. Das habe ich oft in den letzten 20 Jahren erlebt. Das heißt, dass man diese Fähigkeiten nur lernen kann, wenn man erstens das Talent dazu hat und zweitens in der Wildnis die Regeln lernt. Dies bedeutet wiederum jahrelangen Aufenthalt in der Wildnis und Lernen von den Meistern im Busch. Und genau dieser Weg war der Weg, der mich zum Erfolg führte. Mehrere Jahre meines Lebens habe ich bisher in der Wildnis verbracht. Immer mit Biologiebüchern im Gepäck und oft mit fähigen Rangern und Fährtenlesern unterwegs, von denen ich sehr viel lernen konnte. In meinen Augen ist dieses Wissen noch viel wichtiger, als das technische Wissen über die Geräte, mit denen ich arbeite.
Ich habe zwar auch eine technisch abgeschlossene Ausbildung hinter mir und kenne meine Ausrüstung sehr gut; jedoch würde mir all dieses technische Wissen nicht helfen, wenn ich die Wildnis-Regeln nicht kennen würde.
Erst die Kombination von technischem Know-How und biologischem Wissen über die Tiere und deren Verhaltensmuster half mir, zahlreiche Bilder von extrem gefährlichen Tieren verschiedener Gattung aus kürzester Distanz zu bekommen. Und diese waren Bilder, die die Welt so noch nie oder sehr selten gesehen hatte!
Bevor ich diesen Absatz abschließe, möchte ich Sie liebe Leserinnen und Leser dringend davon abraten, sich den wilden Tieren zu nähern und zu versuchen, das nachzuahmen, was ich hier beschrieben habe. Ohne eine Ranger-Ausbildung und jahrelange Erfahrung kann dies Ihr Leben kosten oder zumindest dazu führen, dass Sie die Tiere stören!
(Grüne Meerkatze fotografiert mit 16mm)
Durch den Einsatz eines Weitwinkelobjektives ist der Zuschauer mitten drin im Geschehen und nicht nur dabei. Man sieht die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung und der Blick der Betrachter wird in die Tiefe des Bildes gezogen. Weitwinkelbilder haben mehr Dynamik und strahlen mehr Energie aus, als die flachen Bilder, die durch die Verwendung von Teleobjektiven entstehen.
Auch ich komme ohne Teleobjektive nicht aus und fotografiere sogar oft mit langen Brennweiten. Dabei können ebenfalls gute Bilder entstehen. Abgesehen davon gibt es extrem wenige Möglichkeiten, sich den wilden und vor allem gefährlichen Tieren auf unserem Planeten zu nähern. Deswegen werden auch die meisten meiner Bilder mit einem Teleobjektiv aufgenommen.
In diesem Artikel geht es nur darum, zu zeigen, dass jeder Fotograf versuchen sollte, seine eigene Handschrift und seinen eigenen Stil zu entwickeln und nicht immer der Masse zu folgen.
Die Weitwinkel- Tierfotografie war einer meiner Wege, der mir geholfen hat.
Herzlichst Ihr Benny Rebel