Ein philosophischer Beitrag zum Thema Kapitalismus
Die Teilnehmer meiner Fotoreise und ich laufen durch einen Bazar in Isfahan. Der Duft von fantastischen Gewürzen schwingt durch die Luft und unzählige kleine und äußerst interessante Geschäfte reihen sich aneinander wie eine kilometerlange Perlenkette.
Jedes dieser fotogenen Geschäfte ernährt eine Familie und der Besitzer betreibt das Geschäft in der Regel selbst mit seiner Familie. Wir werden überall freundlich begrüßt und zu einem Tee eingeladen oder man schenkt uns eine Tafel Schokolade, ein Eis oder Obst – einfach so.
Die Gastfreundschaft der Iraner hört nicht bei den Ladenbesitzern auf, sondern ist überall und zu jeder Zeit spürbar. Passanten schenken uns Leckerlies, die sie gerade selbst gekauft haben und lassen uns probieren, wie dies und das schmeckt. Alles so, als wäre man in einer großen und freundlichen Familie unterwegs.
Diese einzigartige Gastfreundschaft bringt die Teilnehmer meiner Fotoreise zum Staunen. Wir ziehen weiter durch den Bazar und fotografieren die stolzen und selbstbewussten Menschen, ihre Geschäfte und die teilweise exotischen Gegenstände, die sie verkaufen.
Der Iran ist eines der noch wenigen Länder der Welt, wo wir sicher mit einer Kamera in der Hand durch die Straßen laufen können, ohne bestohlen oder kontinuierlich belästigt zu werden.
Wir besuchen noch andere Bazare in den Großstädten Irans und überall finden wir dieselbe Gastfreundschaft der Menschen und unendlich viele erstklassige Fotomotive.
Der Sinn des heutigen Beitrages ist jedoch weniger fotografischer Natur, sondern eher philosophischer Art.
Früher waren die Geschäfte in der ganzen Welt praktisch so wie heute in den iranischen Bazaren. Zumeist führte eine Familie ein eigenes Geschäft und davon ernährte sich die Familie. Die Vielfalt war immens und die Besitzer der Läden stolze Menschen, die in Würde ihren Lebensunterhalt verdienten.
Die Machtübernahme durch den Kapitalismus
Später erblickte der Raubtierkapitalismus das Licht der Welt und damit war der Untergang der kleinen Geschäfte besiegelt. Sie kamen mit vielversprechenden Namen wie Kaufhof, Karstadt, Aldi, Walmart, Metro usw. daher und verdrängten die kleinen Familiengeschäfte immer mehr aus den Städten und Dörfern.
Die Inhaber der kleinen Geschäfte, die bis dato in Würde für ihre Familien sorgten, mussten nun als Angestellte für die Superkapitalisten arbeiten, deren einziges Ziel eine kontinuierliche Gewinnoptimierung war. Die Familien der Angestellten und das soziale Miteinander spielen im Kapitalismus keine Rolle. Die Gehälter der Angestellten wurden kontinuierlich so niedrig wie möglich gehalten, damit die Inhaber solcher Riesengeschäfte so viel wie möglich verdienen konnten.
Der Raubtierkapitalismus hat einen großen Keil in die Verdienstklassen der Gesellschaft getrieben. Die große Mittelklasse hat im Vergleich zur kleinen Oberklasse immer weniger verdient und mittlerweile haben sich diese Unterschiede zu einer unvorstellbaren „Krankheit“ entwickelt.
Der Unterschied zwischen REICH und ARM wird ununterbrochen größer
Während früher in einem normalen Betrieb der Chef der Firma vielleicht bis zu dreimal mehr Geld verdient hat, als sein Angestellter, sind es heute teilweise, wie z.B. bei AMAZON, solche großen Unterschiede, dass man gar nicht mehr weiß, wie viele Stellen diese Zahlen überhaupt haben. Verdient Amazon 1000 Mal mehr als ein Amazon-Angestellter? Sind es 10 000 Mal mehr? Eine Million Mal mehr? Eine Milliarde Mal mehr? Das ist so absurd und abstrakt, dass es äußerst schwer ist, das alles wirklich zu verstehen.
Die GROSSEN bezahlen kaum Steuern und tragen NICHTS dazu bei, dass es der Gesellschaft besser geht
Interessant ist zu wissen, dass die kleinen Geschäfte ihre Steuern bezahlen müssen, um damit z.B. unseren Staat, unsere Straßen und die Schulen zu finanzieren, während Appel, Amazon und ähnliche Superkapitalisten so gut wie gar keine Steuern bezahlen. Das ganze Geld verschwindet in die Tasche der Inhaber, ohne dass die Gesellschaft oder der Staat irgendetwas davon abbekommt.
Wir bewegen uns geradeaus in eine Richtung, die sich auch kaum noch verändern lassen wird. Es wird in baldiger Zukunft nur noch wenige Unternehmen geben, die praktisch das gesamte Geschäft der Welt unter sich teilen werden und die absolute Mehrheit der Menschen auf der Erde wird für eine dieser Firmen arbeiten müssen. Es bleibt uns nichts anders mehr übrig.
Es sind solche Firmen wie Amazon, Apple, Ebay, Google, Microsoft usw. die das globale Geldverdienen unter sich teilen werden. Vielleicht kauft am Ende eine dieser Firmen die anderen auf und es gibt nur noch eine einzige Firma, die alles auf der Erde besitzt? Diese wir dann keine KONKURRENTEN mehr haben! Die Vielfalt geht verloren und den Rest könnt Ihr Euch sicherlich selbst denken.
Die früher andersdenkenden Staaten und Systeme haben sich im sich drehenden Riesenrad des Raubtierkapitalismus integriert und treiben dieses sogar noch schneller vorwärts. Russland, China und andere Staaten, die früher andere Werte in den Vordergrund stellten, sind mittlerweile noch schlimmere Kapitalisten geworden, als dies die US-Amerikaner jemals waren.
Somit ist unsere heutige Welt sich einig. Nieder mit den Kleinen und es lebe der Raubtierkapitalismus!
Ich bin gespannt, wann die letzten Bazare im Orient zu Aktiengesellschaften umgewandelt und auf der Börse gehandelt werden.
Mit diesen Gedanken sende ich Euch allen einen herzlichen Gruß aus Hannover zu und wünsche Euch eine philosophisch schöne Zeit.