Ein Praxisbericht über die Canon EOS 1D Mark II
Dieser Artikel wurde im Oktober 2004 in der Zeitschrift Naturfoto veröffentlicht
Auf der Suche nach der perfekten Ausrüstung habe ich in den letzten Jahren mindestens 100 verschiedene Kameras ausprobiert. Von den edlen Sucherkameras, über die verschiedenen Kleinbild Spiegelreflexsysteme bis hin zu unterschiedlichen Mittelformatkameras habe ich alles ausprobiert, was für mich hochwertig und interessant zu sein schien. Diverse digitale Kameras wurden ebenfalls von mir getestet, um heraus zu finden, was die heutige Technik für den Naturfotografen leisten kann.
Die spektakulären technischen Daten der neuen Canon EOS weckten in mir den „Haben-Wollen-Wunsch.“ Durch etliche schlechte Erfahrungen mit anderen Kameras war ich vorerst etwas skeptisch. Denn ein Schnäppchen ist dieses „Objekt der Begierde“ nicht! Eine Kamera die ca. 4500 Euro kostet darf keinen Fehlkauf darstellen. Nach einiger Überlegung wagte ich den Sprung ins kalte Wasser und kaufte die „Mark II“ zusammen mit dem neuen Canon Objektiv: Das EF 28-300mm L IS USM, zu dem ich später noch einmal zurückkehren werde.
Die Kamera aus meiner Sicht!
Die EOS 1D Mark II liegt ausgezeichnet in der Hand. Der Fotograf bekommt das Gefühl, als ob das Gehäuse in seine Hand gegossen wurde. Nur etwas leichter hätte sie sein können. Mit etwa 1,5 kg Gewicht hat man ordentlich zu schleppen. Das äußerst strapazierfähige Magnesiumgehäuse ist von innen mit Silikon abgedichtet. Der Bildermacher kann somit problemlos auch im Regen oder in staubigen Gegenden fotografieren.
Was mich persönlich sehr beeindruckt, ist die hohe Auflösung, kombiniert mit extrem hoher Geschwindigkeit! Bei 8,2 Millionen Pixel schafft die „Mark II“ 8,5 Bilder pro Sekunde aufzunehmen. Die maximale Bildfolge beträgt dabei beachtliche 40 Stück in JPG-Format und 20 bei Raw-Aufnahmen.
Genau diese Stärke der Kamera macht sie äußerst interessant für die unberechenbare Tierfotografie, wo es oft auf die Flexibilität und die Geschwindigkeit ankommt. Das alles wäre aber ein schwacher Trost gewesen, wenn dabei die Bildqualität nicht so gut wäre. Diesbezüglich muss ich betonen, dass ich keine andere digitale Kamera kenne, die so eine gute Bildqualität liefert. Poster, die ich in 50 x 75 cm vergrößern lassen habe, waren so brillant, detailreich und perfekt, dass keinerlei Wünsche offen blieben. Es war sogar noch soviel Potenzial darin, dass ich problemlos auch weit größere Abzüge hätte anfertigen lassen können.
Schneller und präziser wurde im Vergleich zum Vorgängermodell (EOS 1D) das Autofokussystem der Kamera. Dieser 45-Feld-Autofokus hat nun einen eigenen Prozessor, der für ein rasantes und genaues Scharfstellen sorgt.
Ein zweiter Digic-II-Prozessor verwaltet die restlichen Aufgaben in der Kamera. Zusätzlich haben die Canoningenieure die Anzahl der Datenauslesungskanäle auf 8 erhöht, um einen superschnellen Datentransfer zu gewährleisten. Als Vergleich stehen z.B. dem Prozessor in der EOS 1Ds nur 2 Kanäle zur Verfügung. Diese Verbesserung und die Vergrößerung des Zwischenspeichers machen es möglich, dass die Kamera so viele Bilder bei der höchsten Auflösung hintereinander aufnehmen kann. Des Weiteren wird der Fotograf bei der Bildwiedergabe nicht mehr auf eine Geduldsprobe gestellt.
Verglichen zum Vorgängermodell wurde auch die Blitzsteuerung der Kamera verbessert. Sie nennt sich jetzt E-TTL-II-Blitzmodus und führt tatsächlich zu sehr ausgewogenen Bildern.
Bei der „Mark II“ kann man zwischen ASA 50 bis ASA 3200 wählen. Erstaunlicherweise liefert die Kamera äußerst rauscharme Aufnahmen, auch bei hohen ASA-Einstellungen. Bis ASA 400 ist fast kein Rauschen wahrnehmbar. Es scheint mir sogar so, dass diese EOS bei ASA 400 ein feineres Korn als ein Diafilm mit derselben ASA-Zahl liefert.
Eine sehr gute Lupenfunktion, die eine Vergrößerung zwischen 1,5 bis 10fach erlaubt, erleichtert die Schärfe- und Detailkontrolle der aufgenommenen Bilder. Diese können über den hoch auflösenden Monitor, der mit 230 000 Bildpunkten neue Maßstäbe setzt, begutachtet werden.
Der Verschluss der Kamera ist für mindestens 200 000 Auslösungen ausgelegt. Durch den Sucher sieht der Fotograf exakt das, was aufgenommen wird (100% Sucherbild).
Der Aufnahmesensor der „Mark II“ hat eine Größe von 28,7 x 19,1 mm. Dies verlängert die Brennweiten der angesetzten Objektive um den Faktor 1,3fach. Es ist wie ich finde ein guter Kompromiss, der die Telebrennweiten um ein brauchbares Stück verlängert, aber die Weitwinkelfotografie nicht zu sehr einschränkt.
Sehr interessant und vielseitig nützlich sind die zwei Speicherkartenplätze. Man kann für die Bilderspeicherungen sowohl Compactflash-Karten (Typ I und Typ II), als auch SD-Karten verwenden. Wenn ich beim Fotografieren keine Zeit finde, um eine volle Compaktflash-Karte gegen eine leere zu tauschen, benutze ich die SD-Karte als Ersatzspeicher. Die Profis, die für Agenturen arbeiten, wo mehrere Kameras von verschiedenen Fotografen benutzt werden, können die SD-Karte mit ihren persönlichen Individualfunktionen programmieren. Damit sind sie in der Lage, rasch ihre persönlichen Bedürfnisse jeder „Mark II“ mitzuteilen. Die Kamera liest und übernimmt die Vorlieben des jeweiligen Benutzers. Des Weiteren lässt sich die SD-Karte als „Back up“ für die Bildspeicherung einsetzen. Somit kann der Fotograf jeweils eine zusätzliche Kopie seiner Bilder auf der SD-Karte speichern. Das ist wichtig bei Auftragsarbeiten, die kostspielig und nicht leicht wiederholbar sind.
Schneller und besser ist auch die Software in der Kamera geworden, was zur Stromsparsamkeit führt. Weit mehr als 2000 Bilder konnte ich mit einer einzigen Akkuladung aufnehmen. Das schlägt alles, was ich bisher kannte.
Das Raw-Format dieser Kamera ist ebenfalls neu. Dieses „cr2“ genannte Format öffnet nicht nur das „Thumbnail“ (kleine Vorschaubilder), sondern jetzt das ganze Bild. Bei den älteren Versionen musste ich wegen dieses Mangels auf Adobe Photoshop zurückgreifen. Dies ist mit der neuen Canon Software nicht mehr notwendig.
Bei der „EOS Mark II“ kann der Fotograf viele Funktionen der Kamera umprogrammieren und mittels Individualfunktionen auf seine persönlichen Bedürfnisse einstellen. Diese sind so umfangreich, dass für mich keine Wünsche unerfüllt bleiben. Ich habe beispielsweise die Möglichkeit, zwischen den zwei Farbräumen „RGB“ und „sRGB“ zu wählen. Da „RGB“ den größeren Farbraum für den professionellen Einsatz darstellt, habe ich mich dafür entschieden. Die Fotografen, die ihre Bilder mit einem Tintenstrahldrucker ausdrucken, können das „sRGB“ wählen, was dafür besser geeignet ist.
Die 45 Autofokusfelder können ebenfalls so programmiert werden, wie der Fotograf sie gerne hätte. Dies ist so genial gelöst, dass jegliche Aufgaben damit realisiert werden können. Ich habe meine AF-Felder wie folgt programmiert: Wenn ein Löwe durch das Gras läuft, möchte ich, dass der Löwe scharf abgebildet wird und nicht das Gras im Vordergrund. Dazu benutze ich nur einen vordefinierten AF-Punkt, der durch das Drücken eines Knopfes auf der Rückseite der Kamera aktiviert wird. Hierbei wäre es falsch, alle 45 AF-Felder zu aktivieren. Diese würden immer auf das nächstgelegene Objekt scharf stellen. In diesem Fall das Gras, und nicht der Löwe. Für die Hochkantaufnahmen, z.B. Tierportraits, habe ich einen Punkt oben zwischen den AF-Feldern vorgewählt. Dies ermöglicht eine exakte und schnelle Scharfstellung auf die Augen der Tiere. Falls ich beim Beobachten des Löwen einen Adler im Flug entdecke und ihn fotografieren möchte, brauche ich nur einen kurzen Dreh auf dem Daumenrad der Kamera zu tätigen. Damit werden alle 45 Autofokusfelder aktiv und decken damit einen sehr großen Teil des Suchers ab. Der Adler hat keine Chancen, durch diese AF-Punkte hindurch zu fliegen, ohne scharf abgebildet zu werden. So wie ich die AF-Felder programmiert habe, bin ich in der Lage, blitzschnell zwischen drei Autofokussystemen zu wechseln, was ich täglich in Anspruch nehme. Das ist das beste AF-System welches ich kenne. Flexibler geht es kaum noch.
Der automatische Weißabgleich ist ebenfalls vorbildlich. Man kann sich fast immer darauf verlassen. Bei vielen anderen Kameras hat man diesbezüglich oft Probleme.
Alle anderen wichtigen Funktionen, die eine Profikamera mitbringen sollte, sind Bestandteil dieses Werkzeugs. Von der Spiegelvorauslösung bis hin zum Blitzen auf dem zweiten Verschlussvorhang oder einer Abblendtaste ist alles dabei, was man für den professionellen Einsatz braucht.
Nun genügend gelobt, jetzt auch etwas Kritik: Neben dem relativ hohen Preis und dem hohen Gewicht ist die Menüführung und das Zwei-Finger-Bedienkonzept der Kamera etwas verbesserungswürdig. Vieles an der Kamera lässt sich nicht intuitiv bedienen und der Griff zum Handbuch bleibt nicht aus. Das Bedienkonzept der Canon EOS 10D und der D60 waren weitaus logischer und einfacher gestaltet.
Ich erwähnte oben, dass ich die „1D Mark II“ mit dem neuen Objektiv EF 28-300 mm L IS USM gekauft habe. Dieses Zoomobjektiv ist bereits jetzt mein Lieblingsobjektiv.
Früher hieß es: „Nur feste Brennweiten können gute optische Leistungen erbringen.“ Das hat sich nun grundlegend geändert. Es ist zwar richtig, dass die Optikingenieure eine feste Brennweite besser konstruieren können, als ein Objektiv mit einem 11fachen Zoom. Aber wie man es bei diesem Superzoom feststellen kann, ist es nicht zwangsläufig immer so. Die Schärfe und die Brillianz der aufgenommenen Bilder mit diesem Objektiv reichen für jeden professionellen Einsatz in der Naturfotografie aus.
Man kann eine Tiergruppe fotografieren und sofort danach Portraits der einzelnen Tiere mit demselben Objektiv aufnehmen. Früher habe ich mich oft über die Unflexibilität meiner Objektive mit fester Brennweite geärgert. Wenn man z.B. in einem afrikanischen Nationalpark mit einem Auto unterwegs ist, muss man alles aus dem Fenster des Wagens heraus fotografieren. Häufig ist es nicht möglich, einige Schritte vorwärts oder rückwärts zu fahren. Hier helfen die Vario-Objektive, den besten Ausschnitt zu wählen und besser zu gestalten. Egal, ob man Tiere aus der Nähe, aus der Ferne, einzelne Tiere oder eine Familie fotografiert. Man hat immer die passende Brennweite an seiner Kamera. Dieses Zoomobjektiv hat vielleicht nicht bei allen Brennweiten die Topqualität, die z.B. das EF 2,8/300mm liefert, aber durch die Möglichkeit ,besser gestalten zu können, ist es für mich dem anderen vorzuziehen. Ich bezeichne das Set aus diesem Superzoom zusammen mit der neuen Canon EOS 1D Mark II als das „Traumpaar.“
Fazit:
Die Canon EOS 1D Mark II ist aus meiner Sicht gesehen zurzeit die beste digitale Spiegelreflexkamera auf dem Markt. Vor allem die Tierfotografen unter uns werden sie schätzen lernen. Durch die Kombination von hoher Auflösung, hoher Geschwindigkeit und einer exzellenten Bildqualität ist es den Canoningenieuren gelungen, eine Super-Kamera auf den Markt zu bringen, die zusammen mit dem Zoomobjektiv das „EF 28-300mm L IS USM“ als „Traumpaar“ bezeichnet werden kann. Da es wirklich nichts Großes zu bemängeln gibt, kann ich nur eine Überarbeitung des Bedienkonzepts bei der Kamera als Verbesserungsvorschlag nennen.