„Ein Löwenrudel greift einen alten Büffel an. Die Herde des Büffels geht in Verteidigungsposition. Kampfbereit laufen die stärksten Bullen den Angreifern entgegen. Plötzlich wendet sich das Blatt und die Jäger müssen um ihr Leben laufen. Ihr einziger Fluchtweg führt in unsere Richtung. Die Löwen und ihre Verfolger laufen direkt auf uns zu. Wir müssen rasch reagieren. Laute Rufe und Schreie bewirken nichts. Ich gebe einen Warnschuss ab. Dadurch können die Tiere für eine Weile gestoppt werden und wir haben Zeit, uns aus dem Geschehen zu entfernen“.
So, oder ähnlich sind die Geschichten, die abends am Lagerfeuer bei einem Bier erzählt werden, wenn die Wildhüter von Ihrem Tag berichten. Sie haben sich einen gefährlichen Beruf ausgesucht und sie leben, um diesen Beruf auszuüben.
Wer sind jedoch diese tapfere Menschen, die täglich ihr Leben riskieren, um das der Wildtiere zu schützen?
Als mein Flugzeug Anfang der 90er Jahre in Johannesburg landete, wusste ich nicht, wie spannend mein mehrwöchiger Aufenthalt bei den Rangern eines privaten Reservats in Südafrika werden würde. Ross, den Manager des Tierreservats, habe ich auf einer früheren Reise kennen gelernt. Er hatte mir versprochen, mir einen Einblick in das Leben der Ranger zu gewähren und mir einige ihrer Fähigkeiten beizubringen. Bei meiner Ankunft habe ich ein Bett im Zimmer eines Rangerazubis namens Leon bekommen und vom ersten Tag an durfte ich bei allen Tätigkeiten der Ranger dabei sein.
Die heißesten „Bush-News“ wurden mir sofort übermittelt. Temba (ein Elefantenbulle aus dem Tshukudu Game Reserve) war trotz eines elektrischen Zauns aus dem Reservat ausgebrochen und verwüstete gerade das Camp des Nachbarreservats „Balule“. Temba zurückzuholen hatte keinen Sinn, weil er wieder ausbrechen könnte. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder musste der Elefant erschossen oder umgesiedelt werden. Die Verantwortlichen von Tshukudu wollten den Tod des Tieres auf jeden Fall verhindern.
Nach langer Suche hat sich eine Firma bereit erklärt, Temba in ein anderes Reservat umzusiedeln, wo er für eine neue Touristenattraktion trainiert werden sollte. Dieses Unternehmen möchte Elefanten wie Reitpferde für Safaris trainieren. Da eine Elefantenumsiedlung organisatorisch sehr aufwändig ist und zahlreiche Genehmigungen erfordert, musste Temba noch einige Tage im Nachbarreservat bleiben, bevor er umgesiedelt werden konnte. Diese Umsiedlung, an der ich teilnehmen dürfte, war extrem gefährlich und aufwändig auch für mich persönlich. Hierbei habe ich erst erkannt, was es bedeutet, ein Ranger zu sein.
Auch einer Löwin war es gelungen, die Seiten des Zauns zu wechseln, jedoch hatte sie vergessen, ihre vier Kinder mitzunehmen, und sie wusste nicht mehr, wo sie hereingekommen war. Die Ranger des Nachbarreservats beobachteten die Löwin, die seit zwei Tagen am Zaun auf und ab ging, um zu ihren Jungen zu gelangen. Als ich hörte, dass ich bei dem Löwenfang dabei sein konnte, war ich sehr glücklich, denn so etwas sieht man nicht oft.
Der Plan war einfach, sie musste betäubt und herüber transportiert werden. Die Realität war jedoch harte Arbeit. Nachdem die Löwin von dem Betäubungspfeil getroffen wurde, lief sie weg, und zwar in einen dichten Dornenbusch. Jetzt musste alles schnell gehen und die Großkatze sollte zum Wagen gebracht werden, was gar nicht so einfach war, denn sie wog etwa 100 Kg und wir mussten die „Dame“ durch den Dornenbusch tragen und dann mit einem Pickup zum Tshukudu Reservat transportieren.
Die Löwin hatte Bisswunden am hinteren linken Schenkel. Diese waren von den Rivalen des fremden Territoriums verursacht worden. Sie muss viel Glück gehabt haben, dass sie nicht getötet worden ist. Nach der Reinigung der Wunden mit einem Desinfektionsmittel mussten wir so lange bei ihr bleiben, bis die Wirkung des Betäubungsmittels nachgelassen hatte, und sie wieder selbständig gehen konnte. Chris Sussens, der Sohn des Reservatinhabers, sagte „Wenn wir sie vorher verlassen, ist sie eine leichte Beute für Hyänen oder für andere Löwen.“ Und so warteten wir mehrere Stunden, bis sie wieder fit war und sich auf den Weg zu ihren Jungen machte. Das war für mich das erste große, abenteuerliche Erlebnis auf dieser bildenden Reise.
Der nächste Tag fing mit der Tierfütterung an. Mit einem anderen Gehilfen namens Blessor sollte ich die Weidetiere, vor allem die im Reservat lebenden Nashörner, füttern. Seit acht Monaten hatte es in dieser Gegend nicht mehr geregnet und die Tiere fanden kein Gras mehr. Um sie nicht zu verlieren, wurde zwei Mal täglich an verschiedenen Wasserstellen Futter ausgelegt. Es bestand aus frischem Gras, angereichert mit Mineralien und Vitaminen. Auch diese Aufgabe hörte sich zunächst nicht so schlimm an, bis ich gesehen habe, was zu tun war. Einige Tonnen Gras wurden täglich von den Nashörnern, Elefanten, Büffeln und anderen Tieren verzehrt. Diese Futtermenge musste zu verschiedenen Wasserlöchern geschafft werden.
Die Tiere waren futterneidisch und höchst gereizt. Täglich gab es erbitterte Kämpfe ums Futter und alle diese Tiere wussten, wenn der Wagen kommt, gibt es Futter. Das hieß im Klartext: Die Tiere haben regelrecht auf uns gewartet, was nicht so schlimm gewesen wäre, wenn wir nicht hätten aussteigen müssen. Ja, wir mussten raus aus dem alten Geländewagen, die Grasbälle herunterschaffen, diese mit Mistgabeln auflockern und mit Mineralien und Vitaminen anreichern. Die Arbeit an sich bei 38 Grad Hitze war schon schwierig genug, man musste aber zusätzlich gut aufpassen, dass kein Büffel oder Nashorn uns zu nahekam. Den Hunger in ihr Gesicht geschrieben, kamen sie uns immer näher. Uns trennten oft keine fünf Meter mehr, während wir zu Fuß unsere Arbeit verrichteten. Eine Erfahrung, die ich nie vergessen werde.
An den nachfolgenden Tagen habe ich viele verschiedene Tätigkeiten ausgeübt, die unter die Aufgaben der Ranger fallen. „Diese Aufgaben können vielseitiger sein, als die meisten anderen Berufe“ sagte Wendel, der Chefranger von Tshukudu. Der Einsatzbereich variiert stark und ist vom Arbeitgeber abhängig. Ein Ranger muss nicht nur Spuren lesen können und in der Lage sein, im Busch zu überleben, sondern vor allem vielseitig sein. Wendel erwähnte folgende Fähigkeiten, die ihre Ranger während der Ausbildung lernen müssen:
- das Feingefühl und das Wissen über die Tiere, ihre Verhaltensweisen und über die heimischen Pflanzen,
- den korrekten Umgang mit den amtlichen Gesetzen und Regeln,
- Verantwortungsübernahme,
- KFZ-Kenntnisse,
- medizinische Hilfe in Notsituationen,
- Umgang mit Werkzeugen, wie z.B. Navigationsgeräten, Funkgeräten, Waffen usw.
- die Intakthaltung des Lebensraums für die Tiere und Pflanzen, z.B. durch ständige Kontrollen des Pflanzen- und Tierbestandes oder die Verhinderung von Erosionen,
- Kommunikation mit anderen Menschen und Unterhaltung der Safarigäste
- Antiwilderei-Maßnahmen sowie
- Reparaturen von Zäunen, Gebäuden und Straßen des Reservats
Die Liste der Fähigkeiten der Wildhüter ist lang und die Grundausbildung dauert etwa drei Jahre, jedoch wer sind diese Menschen, die viel auf sich nehmen, täglich ihr Leben riskieren und oft noch nicht einmal gut bezahlt werden?
Um mehr über die Ranger zu erfahren, habe ich etwa 30 von ihnen aus unterschiedlichen Reservaten befragt. Sie haben mir ihre Träume beschrieben, mir von ihren Ängsten und Sorgen berichtet und vieles aus ihrem Leben erzählt. Je mehr Interviews ich mit ihnen führte, desto mehr stellte ich fest, dass sie sich sehr ähnlich sind. Sie haben oft ähnliche Familienverhältnisse, den gleichen Werdegang, verwandte Träume und dieselben Sorgen.
Viele von ihnen wuchsen in der Nähe von Tierreservaten auf, ein Teil ihrer Familien war in einem Park beschäftigt oder sie haben durch einen Nationalparkbesuch ihre Liebe zur Natur entdeckt. Was sie alle gemeinsam haben, ist die Einstellung, dass sie nichts anderes machen möchten, als diesen Beruf auszuüben.
Die starke Liebe zur Natur vereint sie zu einer Art „Army“ gegen die Zerstörung der Umwelt.
Gus Vandyk, der 36jährige Tourismusmanager von Pilanesberg Nationalpark, sagte: „Ranger sein ist nicht nur ein Job, das ist eine Lebenseinstellung.“ Er machte als Jugendlicher einige Reisen durch verschiedene Nationalparks und dabei stellte er fest, dass er als Ranger arbeiten möchte. Seit 1985 geht er nun seiner Berufung nach. Gus arbeitet für den Staat, seine wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden. Die tatsächlichen Arbeitsstunden belaufen sich jedoch auf etwa 70 Stunden pro Woche. Die Überstunden werden selbstverständlich NICHT vergütet.
Bei den Rangern des Tshukudu Game Reserves verhält es sich, so Chris, einer der Azubis, wie folgt: „Wir arbeiten drei Wochen voll durch und dann haben wir eine Woche frei.“ In die Zukunft schauen sie alle positiv, wenn auch einige von ihnen mehr machen möchten als die anderen. Wendel ist dabei, ein eigenes Tierreservat zu gründen. Duncan, ein Tshukudu-Ranger, möchte sich später selbstständig machen und Touristen mit einem eigenen Wagen durch die Nationalparks führen. Die meisten anderen möchten jedoch als Ranger da bleiben, wo sie jetzt sind. Von den Befragten wollte niemand den Berufszweig wechseln.
Die meisten Wildhüter haben zwar eine Krankenversicherung, jedoch keine weiteren Versicherungen. Die Nationalparkangestellten bekommen später eine kleine Rente. Die anderen müssen entweder in der Jugendzeit sparen oder bis zum bitteren Ende arbeiten. Im Gegensatz zu den meisten Europäern, machen sie sich darüber aber keine Sorgen. Ihre Sorgen sind andere. Gus sagte mir, dass er sich Sorgen um seine Kinder mache. Diese wachsen zwar in einer natürlichen Umgebung auf, sind aber von den anderen Kindern isoliert. Er weiß nicht, wie sich das auf ihr Sozialverhalten auswirken könnte.
Ich stellte allen Rangern dieselben Fragen. Eine der Fragen war: Was war dein spannendstes Erlebnis im Busch? Alle erzählten mir aufregende Tiergeschichten, die sie im Busch erlebten. Gus von Pilanesberg erzählte jedoch eine andere Geschichte:
„Ich hatte einige Gäste, die aus der Großstadt kamen, für die Übernachtung in den Busch mitgenommen. Während einer Wache schob, ruhten die anderen sich aus. Ich beobachtete, dass einer der Gäste, der Wachdienst hatte, weinte. Ich bin zu ihm hingegangen und fragte, ob er Angst habe? Er sagte,“ Nein, es ist so wunderschön, unter freiem Himmel der Natur nahe zu sein, dass ich meine Gefühle nicht mehr unter Kontrolle habe. Deswegen weine ich.“ Dieses Erlebnis bewegte den Gast so sehr, dass er sich am nächsten Tag vorgenommen hat, ein neues Leben anzufangen und vieles anders zu machen, als bis dahin. Gus ist es noch mehr bewusst geworden, was für ein Privileg es ist, der Natur zu dienen und täglich ihre Schönheiten zu erleben.
Diese Emotionen, die große Verbundenheit mit der Natur und eine Portion Idealismus lassen die Ranger darüber hinwegschauen, dass sie täglich ihr Leben riskieren, um diesen Beruf ausüben zu dürfen. Jedes Mal, wenn ich durch die afrikanischen Nationalparks fahre, höre oder lese ich die Geschichten von den neuesten Unfällen in den Parks. Ein Ranger wurde vom Elefanten getötet. Ein anderer von einem Leoparden usw. Doch diese Gefahren machen ihnen keine Angst: Sie sind Ranger aus Berufung.
Dieser Artikel ist den getöteten Wildhütern gewidmet, die den Naturschutz mit ihrem Leben bezahlt haben.