Krokodilbekanntschaft – Krokodile sind schwer zu Durchschauen
Den Gemütszustand eines Krokodiles einzuschätzen, gehört zu den schwierigsten Aufgaben eines Rangers oder eines Tierfotografen.
Wenn ein Löwe entspannt, aggressiv, neugierig oder genervt ist, erkenne ich dies sehr schnell und das aus einer relativ großen Distanz. Dasselbe gilt für zahlreiche andere Tiere, mit denen ich oft zu tun hatte, wie z.B. Elefanten, Nashörner, Leoparden, Büffel oder Hyänen.
Aus dem Gesicht eines Krokodiles zu lesen, was es gerade denkt, ist jedoch keine leichte Aufgabe. Deswegen muss man sehr vorsichtig sein, wenn man mit diesen Riesenreptilien arbeitet, die bis zu einer Tonne wiegen können und zwischen den Tieren die stärkste Bisskraft haben.
Faul wirkend, jedoch blitzschnell
Sie wirken in unseren Augen oft faul, gelangweilt oder langsam. Der Schein trügt jedoch gewaltig. Sie beobachten ihre Umgebung und ihre möglichen Beutetiere mit einer beispielhaften Geduld, um dann zur richtigen Zeit blitzschnell zuzuschlagen. Sie sind auf der Erde gewesen, lange bevor es uns Menschen gab und seitdem haben sie sich kaum verändert, weil sie einfach perfekt an ihrem Lebensraum angepasst sind und es nicht notwendig war, sich weiter zu entwickeln.
Eine ihrer erstaunlichsten Fähigkeiten ist folgende: Wenn ein erwachsenes Krokodil sich einmal sattgefressen hat, kann es mit dieser Mahlzeit weit mehr als ein Jahr lang überleben. Sie sind die Meister in Punkto Effizienz und sind uns Menschen darin weitaus überlegen.
Das Krokodil, das ich 10 Jahre lang kannte
Ich hatte die Ehre eines dieser erstaunlichen Krokodile etwa 10 Jahre lang persönlich zu kennen und immer wieder zu besuchen.
In Südafrika gibt es ein privates Wildschutzgebiet, welches Freunden von mir gehört. Seit vielen Jahren besuche ich meine Freunde in diesem Reservat und gehe mit ihnen auf Safaris. Eine Zeitlang blieb ich ganz bei ihnen, um von ihren Rangern mehr über Natur und Tiere zu lernen. Ich wurde sozusagen zu einem Ranger-Azubi. Zahlreiche Aufgaben, die ich meistern musste, standen auf dem Lehrplan. Täglich begann meine Arbeit beim Sonnenaufgang und dauerte oft bis tief in die Nacht. Manchmal waren sogar Nachtschichten zu bewältigen, was natürlich ganz besonders spannend war.
Zu den Tieren, die in diesem mehreren tausend Hektar großen Reservat lebten, gehörte ein großes Krokodil, welches in einem geräumigen Wasserloch lebte und ein ganz eigenes Verhalten entwickelt hatte. In diesem Wasserloch lebten einige weitere Krokodile; jedoch keines der anderen Tiere war so, wie unser Krokodil, welches auf diesem Bild hier zu sehen ist.
Die Ranger hatten irgendwann herausgefunden, dass genau dieses Krokodil sehr sensibel und immer gleich auf Wasserbewegungen und Geräusche reagiert, und zwar wie folgt:
Wenn man mit einem Holzstock gleichmäßig auf das Wasser schlug, kam dieses Krokodil direkt dahin und visierte den Übeltäter an. In etwa 10 Meter Distanz tauchte das Krokodil unter und schwamm zum Ranger, der mit dem Holzstock auf das Wasser schlug. Wenn man genauer hinschaute, hat man gemerkt, dass das Krokodil direkt auf den Ranger zu geschwommen kam. Dann folgte eine kurze Pause, bevor das Riesen-Reptil wie eine Rakete aus dem Wasser geschossen zum Ranger lief. Die Wildhüter wussten ganz genau wann sie das Geschehen verlassen mussten, damit sie nicht verletzt wurden. Es war ein extrem gutes Training der Reaktionen und vor allem war es für die Ranger wichtig, live mitzuerleben, wie eine Attacke eines Krokodils aussehen würde, um später auch in anderen Gebieten darauf gut vorbereitet zu sein.
Da wir alle paar Tage einmal Wasser aus diesem Wasserloch entnehmen mussten, waren wir gezwungen, immer wieder ins Territorium dieses Krokodiles einzudringen. Beim Entnehmen des Wassers mussten wir stets gut aufpassen, dass wir nicht vom Krokodil attackiert wurden. Dadurch, dass die Attacken des Tieres immer nach demselben Prinzip abliefen, war es irgendwann für mich relativ einfach, das Tier zu fotografieren. Ich kannte meine Grenzen und seine Möglichkeiten und somit habe ich einige Bilder von diesem ganz besonderen Krokodil aufnehmen können.
Ein Abschied für immer
Irgendwann kam eine große Flut und nahm das Krokodil mit sich. Niemand hat jemals danach dieses Krokodil wiedergesehen. Heute leben andere Krokodile in dem besagten Wasserloch; sie sind jedoch vom Charakter her ganz anderes und nicht so angriffslustig.
Ich werde seine Attacken, die immer mit einer großen Spannung und einem Adrenalinstoß verbunden waren, nie vergessen.
Dort, wo einst dieses Krokodil lebte, fotografieren wir heute ein anderes sehr interessantes Krokodil. Ich nehme jedes Jahr die Teilnehmer meiner Fotoreisen durch Südafrika zu diesem Wasserloch mit und wir nehmen hier sehr spannende Fotos von den Krokodilen auf, während wir auf dem Bauch liegen, um eine sehr gute Perspektive zu bekommen. Den Verlauf dieser extrem ergiebigen und beliebten Fotoreise findet Ihr unter dem folgenden Link: